Samstag, 31. Oktober 2009
I was amused
Über dreißig Grad im Schatten, blauer Himmel, leichte Brise – Hochsommer. Surreal die Vorstellung, in Deutschland wäre Winter. Stiefel und Schals? Komischer Gedanke.
Am Donnerstag Abend bin ich im Supermarkt mit J., der ehemaligen Flamme meines beinahe schon ehemaligen Mitbewohners zusammengestoßen, ein kurzer Plausch zwischen Weinregal und Gefriertruhe, eine Verabredung für Freitag Abend.
Um acht wartete ich vorm Haus, ein Passant, mager und schlaksig, eiene weiße Sonnenbrille verkehrt herum im Nacken hängend, sprach mich an: er habe mich noch nie gesehen, strahlend schön wie eine Sonne, das könne er kaum glauben, für eine Schönheit wie mich müsse er ein Gedicht schreiben, ob ich hier wohne... er verfolgte mich bis ans Autofenster, J. guckte schräg und neugierig. Vor der britischen Botschaft warteten andere Freunde von ihr, alle Development Set. Einlaßkontrolle, Taschenkontrolle, Scanner wie am Flughafen, wir tauschten unsere Pässe gegen ein Einlaßkärtchen. Die Botschaften hier sind riesige Concessions, ummauert, stacheldrahtbewehrt, innen die Botschaft, manchmal die Residenz, oft einige Häuser für Mitarbeiter. Ganz sicher ein Swimming Pool und ein üppig beflanzter Garten, so daß man die häßliche Realität mitsamt der Mauern ausblenden kann. Das Wasser plätscherte, auf dem Rasen Tische und Stühle, eine runde Hütte mit Bar, Musik und Buffet: der Brit Club. Jeden Freitag Abend Buffet, Getränke und Musik und natürlich die übliche Gesellschaft. Man kennt sich. Für zehn Dollar eine Stempelkarte für Getränke gekauft, für zwanzig Dollar das drittklassige Buffet inspiziert, nett geplaudert. Spielende Kinder, ein gepflegter Hund strich zwischen den Tischen umher, Familien und Besucher jeden Alters.
Um zehn ging es weiter in die amerikanische Botschaft, Halloween-Party im Marines House. Mir war bislang gar nicht bewußt, daß in Kinshasa Marines stationiert sind und ich hatte mich schon gewundert, daß in Anwesenheit der weltweit größten UN Mission der einzige Soldat meiner Bekanntschaft ein Blauhelm-Pakistani mit ausgesprochener Cricket-Leidenschaft war. Jetzt also Marines. Und ein haunted tunnel. Vorm Eingang ein Warnplakat, daß der Eintritt für Schwangere und gesundheitlich Indisponierte nicht ratsam sei und man keine Verantwortung für derlei Gäste übernehme. Unter Zeltdächern hatten die Jungs liebevoll Teelichter, Rauch und gruselige Asseccoires arrangiert, zwei waren stationiert zum Gäste erschrecken, ich kreischte einmal angemessen laut, auf der anderen Seite dann, wie es sich für wahre Männer gehört, ein trister, betonierter Innenhof, ein Basketballkorb und ein Clubhaus. Auf der Wand ein Logo: Adler auf Weltkugel, Sitzgruppen unter einem Vordach arrangiert mit gezuckerten bunten Halloween-Keksen und Plastik-Gehirnen dazwischen, innen ein Billiard-Tisch, Kicker, Darts und eine Bar. Weitere Dekoration: im Eingang ein Poster: „If everyone could get in, it wouldn’t be the Marines”. Über dar Bar: “When we are in YOUR house, we will play by YOUR rules”. Und: “Lost dog: one-eyed, limping, lost one ear, tail cupped and recently castrated. Listens to the name of LUCKY”. Inmitten der übrigen Gäste waren die Marines leicht zu erkennen an ihrer beeindruckenden Statur und dem typischen Haarschnitt: and den Seiten sehr kurzgeschoren, oben auf dem Kopf eine Spur länger. Sofern sie nicht gerade in feuerroten, hochhackigen Lack-Plateau-Pumps, kleinem Schwarzen und blonder Kunsthaarperücke auftraten und damit beschäftigt waren, an der Stange zu tanzen. Dies also der Stolz der Vereinigten Staaten von Amerika. Im Flüsterton wurde ich von J. informiert, die Marines seien naughty boys und empfingen des öfteren Ladies aller Art, oder was man so Ladies nennt, wenn man ein anständiges amerikanisches Mädel ist. Die Auswahl der Kostüme spiegelte die amerikanische Leidenschaft für Halloween wider, vielleicht aber auch nur die Tatsache, daß in Kinshasa jede Ablenkung willkommen ist und man reichlich Zeit für fantasie- und kostenintensive Bemühungen hat.
Ich habe mit allerlei Leuten geplaudert, die üblichen Themen, wie lange man hier ist, wie lange man bleibt, was man beruflich macht, wen man kennt und wo die nächste Party ist. Gerne hätte ich mich mit einem der Soldaten unterhalten, um herauszufinden, ob sie wirklich so beschränkt sind, wie man allgemein sagt (ich habe noch nie jemanden getroffen, der von einem intelligenten oder übermäßig gebildeten Soldaten berichtete), aber es ergab sich leider nicht. Immerhin gab es reichlich zu gucken. Solche Abende entschädigen mich für viele Unannehmlichkeiten, denn bitte, wie viele Menschen bekommen in ihrem Leben die Gelegenheit, an einem einzigen Abend in zwei Botschaften zu feiern, davon einmal in Gegenwart skurril kostümierter Militärs? Davon kann ich meinen Enkeln irgendwann erzählen, sollte ich jemals welche haben.
Eigentlich hätte wir gegen Mitternacht noch eine dritte Veranstaltung besuchen sollen, die Geburtstagsparty eines meiner Landsmänner, aber die Damen waren müde und haben für den heutigen Samstag Abend große Pläne, daher endete der gestrige Abend vorzeitig und ich war um Mitternacht im Bett.

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