Samstag, 14. November 2009
Schichtwechsel
Das Leben könnte schlimmer sein. Der alte Mitbewohner – bindungsunfähiger Brite Ende dreißig, null Kochkünste, aber sonst sehr nett – ist zu neuen Ufern auf der anderen Seite des Atlantik aufgebrochen. Auftritt: D., Französin Mitte dreißig, auch nett, soweit ich das nach den wenigen Abenden beurteilen kann. Nachdem mein schöner Franzose die Abschiedsparty verpasst hat, hoffe ich auf eine neue Chance anläßlich der Einzugsparty nächste Woche. Darüberhinaus wird der neue Umgang meinem Französisch gut tun, auch wenn es die Abende unentspannter macht. Sie hat umgehend vom Apartment Besitz ergriffen und ihre Dekoration verteilt – leider in einer Art und Weise, die ich als Verschlechterung empfinde. Unsere Wohnzimmergarnitur kann man nur als scheußlichen, chinesischen Schrott bezeichnen, aber mit weißen Laken drüber fällt das kaum auf. Die Wände zierte bislang ein leerer weißer Holzrahmen – ohne jeden sinnvollen Zweck – und eine dieser wunderbaren leicht veralteten Landkarten vom Kongo, auf denen es noch einen Lac Mobutu und einen Lac Amin gibt. Beides mochte ich – immer wenn ich auf jemanden gewartet habe, habe ich die Karte studiert. Die hat sie nun leider abgehängt und halb in den Holzrahmen ein Kunstposter gehängt – ich mochte den leeren Rahmen lieber. Das hatte irgendwie Stil, während das Poster zwar nett ist, aber eben leider über den Rahmen drüberhängt – gar kein Stil, finde ich. Die massiven afrikanischen Holzbänke, die sie dem Haushalt zugeführt hat, sind hübsch, aber völlig unpassend plaziert – immerhin die Gläser im Schrank sind eine echte Verbesserung (die alten hat eine Freundin des ex-Mitbewohners am Sonntag abgeholt).



Seit dieser Woche habe ich einen neuen Fahrer. Die letzten Wochen waren anstrengend, ich habe das Auto aus Budgetgründen mit meinem Chef geteilt und es versteht sich von selbst, wer die Hälfte seiner Zeit in der Warteschleife verbrachte. Letzte Woche verschwand er um kurz vor sechs zu einem Meeting und ich saß ohne Transport im Büro, wollte nach Hause und war irgendwann so wütend, daß ich zu Fuß gegangen bin. Die einsame Straße bis zum belebteren Viertel habe ich mich bemüht, mich nicht allzu deutlich an meiner Tasche festzuklammern, danach ging es... sieht man davon ab, daß zwanzig Minuten Fußmarsch über Schotterpisten in Pumps kein reines Vergnügen sind – auch nicht für die Ledersohlen meiner feinen Schühchen. Jetzt also wieder ein eigener Fahrer, ganz für mich allein, Vorfreude seit Montag auf neue Unabhängigkeit. Sämtliche Einkaufspläne – feine Sachen in zu Fuß unerreichbaren Supermärkten – wurden leider sabotiert, weil der Fahrer möglichst früh zu seinem kranken Kind nach Hause wollte. Natürlich vergaß er nicht, wiederholt anzumerken, daß – ach! – er kaum die Kosten für den Arztbesuch bezahlen könne, und natürlich habe ich meine Pflicht als reiche Weiße getan und großzügig für die gute Sache gespendet. Immerhin bescherte mir das einen guten Grund, den Nachmittag mit einem anständigen Kaffee auf der Terrasse zu arbeiten, frühzeitig schwimmen zu gehen, und als ich zurückkam wartete die neue Mitbewohnerin schon mit einer Flasche Wein.

Das zumindest ist eine Eigenschaft, die ich an Franzosen zu schätzen weiß.

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