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Winterreise
Neulich war ich im Feld laufen und glaubte mich fast in einer fremden Welt. Meine Familie fragte leicht ungläubig, ob ich das wirklich riskieren wolle angesichts des Zustands der Wege, woraufhin ich nichtsahnend fröhlich erklärte: die Strecke sei ja komplett geteert, wie solle man da nicht laufen können? Ha! den Feldweg gab es nicht mehr, nur noch einen schmalen sich schlängelnden Pfad aus festgetretenem Schnee und streckenweise nicht mal mehr den. Unterschiedslos waren geteerte, schottrige und grüne Flächen einfach alle weiß, Straßengräben wie aufgeschüttet, der Pfad schlängelte sich zuweilen um Schneeverwehungen herum, wo er sonst geradeaus führte und als ich mich durch den Tiefschnee den Berg hinunter kämpfte, kam ich mir vor wie ein Pferdchen bei der Passage, das tüchtig die Beine anziehen muß. Um mich herum waren alle Formen von kuscheligen Schneekapuzen umgeben, was sonst zackig und eckig wäre war alles rund und weich. Baumstümpfe sehen aus wie riesige Pilze, Holzstapel wie gefederte Matrazen, Bänke wie gepolsterte Sofas. Laufen war herrlich, gelegentlich blendete die Sonne mich fast und ließ Fußstapfen und kleine Erhebungen blau-glitzernde Schatten werfen, ganz selten riß die Wolkendecke auf und der Himmel glänzte leuchtend-blau.
Davon abgesehen möchte ich beinahe um Verzeihung bitten, daß mein Blog derzeit so traurig und orientierungslos vor sich hindümpelt – es folgt dabei leider meinem überaus unaufregenden Leben. Während ich der Zukunft harre, vertrödele ich meine Zeit, gondele von einem Ort zum nächsten und tue nicht viel außer warten –kann daher beklagenswert weniges berichten. Außer natürlich weitere Bahn-Geschichten, aus gegebenem Anlaß. Sollten Sie jemals im Bord Bistro eines Zugs der Bahn eine junge Frau mit untergeschlagenen Beinen sitzen sehen, ganz sicher mit irgendeinem Schal oder Halstuch, diverse Habseligkeiten festungsartig um sich herum aufgebaut, den Laptop vor der Nase und einen Becher Kaffee daneben, dann könnten Sie versuchen, mich zu begrüßen, denn mit einiger Wahrscheinlichkeit bin ich das. Ich sitze fast immer im Bistro – nicht im Restaurant, wohlgemerkt!, im Bistro – ich schlage immer mindestens ein Bein unter und ich habe auch fast immer irgendeinen Schal bei mir, mindestens aber ein Halstuch. Heute: ein grün-rosa Seidentuch, ein pinkfarbener Kaschmirschal, ein grauer Schal überm Mantel. Möglicherweise bin ich auch jene, die schimpft wie ein Rohrspatz oder leicht hysterisch lacht, weil von zehn Zügen in vier Wochen nun der neunte verspätet ist.
Der Zug ist voll, im Durchgang sammeln sich immer mehr Bundis auf dem Fußboden, und im Bistro ist erstaunlich viel los. Mir gegenüber vier Männer, einer etwas älter, die anderen eher jünger als ich, von ihnen drei mit Bier. Während der Ältere beginnt, in seinem Gepäck zu kramen, beginnt sein Bierglas langsam gen Tischkante zu rutschen und der junge Mann daneben (von der Sorte: zu dünn gekleidet, rundum erforen aussehend, aber mit Mütze) lächelt fein und hält es fest, bis sein Banknachbar fertig ist mit kramen. Vor dem letzten Halt saß gegenüber eine ältliche Dame mit Buch – sicherlich Erbauungsliteratur – die es geschafft hat, sogar auf der Innenseite ihres Kaffeebechers pinkfarbenen Lippenstift zu hinterlassen. Keine Ahnung, wie sie das gemacht hat. Außerdem drei halbstarke Jungs, einer sieht etwas verwahrlost aus, einer brav und einer etwas verhuscht. Sonderbare Zusammenstellung, die drei – man sollte nicht meinen, daß sie sehr viel gemein haben. Nach einer Weile nehmen sie Sandwiches mit Teller mit ins Abteil, bringen die leeren Teller aber später artig zurück. Schließlich ist gleichzeitig mit mir – aus dem verspäteten Regionalexpress, dessentwegen wir nun alle verspätet sind – ein junger Mann, noch in Arbeitskleidung, leuchtend besetzt mit neongelben Reflektoren und mit Siemens-ID Kärtchen, eingestiegen. Er hat wuschelige, seitlich aus der Stirn gekämmte, blonde Haare, blaue Augen und sähe aus wie eine zu groß geratene schlaksige Putte, trüge er nicht am linken Auge ein Pflaster, das in seinem Gesicht weiß leuchtet. Alle paar Minuten tippt er auf seinem Handy rum, trotz der derben Kleidung sind seine Finger und Nägel makellos sauber, und lächelt dabei ganz glücklich. Ich stelle mir vor, daß er auf dem Weg ins Wochenende zu seiner Liebsten ist, sich freut, daß der ICE gewartet hat und er zumindest bis auf weiteres pünktlich sein wird. Sie schreibt zurück und freut sich auch und so tauschen die zwei endlos und geduldig Liebeleien und Zärtlichkeiten aus, wie es nur frisch Verliebte tun, und genießen die Vorfreude aufs Wiedersehen, während er sich dem Zielort entgegensehnt. Dem Bahnsteig, auf dem sie schon wartet, etwas hektisch mit den Augen den Zug rauf- und runtersuchend, um ihn nur nicht zu verpassen, wenn er aus dem Zug steigt oder – noch schlimmer – in dem Menschengewusel momentelang zu übersehen. Er hingegen stünde an der Tür ganz vorne, einen Schritt Abstand zum Glas, um besser die Personen auf dem Bahnsteig sehen zu können und dann flöge sie geradezu in seine Arme (wo man ihn doch so gut sieht in der gelben Jacke, die wie ein Schrei all die dunkeln Mäntel ausblenden würde). Andererseits hat der junge Mann besondere, leicht hochgezogene Mundwinkel und so scheint er eigentlich immer leicht amüsiert, vielleicht wohlwollend zu lächeln – und seine Telefon-Fixierung hat nichts zu bedeuten außer der Langeweile des Reisenden ohne Lektüre.
600 km durch Deutschland und alles ist weiß. Im Norden sieht man mehr von der Welt und der Schnee ist es eine etwas schäbige, leicht zerfetzte Decke, nach Süden hin meint man, die Bäume und Sträucher müssten beinahe zusammenbrechen unter der dicken, weißen Last, aber wohin man schaut, auf der gesamten Strecke: Schnee, Schnee, Schnee. Kaum zu fassen, daß die Welt in wenigen Monaten wieder bunt werden wird, daß es gelbe Rapsfelder und Felder und Wälder in den verschiedensten Grüntönen geben wird. Für den Moment ist das Draußen ein Foto in Sepia: braun schattierte Sträucher, schmutzig-weißer Schnee und grauer Himmel. Sonst nichts.
Davon abgesehen möchte ich beinahe um Verzeihung bitten, daß mein Blog derzeit so traurig und orientierungslos vor sich hindümpelt – es folgt dabei leider meinem überaus unaufregenden Leben. Während ich der Zukunft harre, vertrödele ich meine Zeit, gondele von einem Ort zum nächsten und tue nicht viel außer warten –kann daher beklagenswert weniges berichten. Außer natürlich weitere Bahn-Geschichten, aus gegebenem Anlaß. Sollten Sie jemals im Bord Bistro eines Zugs der Bahn eine junge Frau mit untergeschlagenen Beinen sitzen sehen, ganz sicher mit irgendeinem Schal oder Halstuch, diverse Habseligkeiten festungsartig um sich herum aufgebaut, den Laptop vor der Nase und einen Becher Kaffee daneben, dann könnten Sie versuchen, mich zu begrüßen, denn mit einiger Wahrscheinlichkeit bin ich das. Ich sitze fast immer im Bistro – nicht im Restaurant, wohlgemerkt!, im Bistro – ich schlage immer mindestens ein Bein unter und ich habe auch fast immer irgendeinen Schal bei mir, mindestens aber ein Halstuch. Heute: ein grün-rosa Seidentuch, ein pinkfarbener Kaschmirschal, ein grauer Schal überm Mantel. Möglicherweise bin ich auch jene, die schimpft wie ein Rohrspatz oder leicht hysterisch lacht, weil von zehn Zügen in vier Wochen nun der neunte verspätet ist.
Der Zug ist voll, im Durchgang sammeln sich immer mehr Bundis auf dem Fußboden, und im Bistro ist erstaunlich viel los. Mir gegenüber vier Männer, einer etwas älter, die anderen eher jünger als ich, von ihnen drei mit Bier. Während der Ältere beginnt, in seinem Gepäck zu kramen, beginnt sein Bierglas langsam gen Tischkante zu rutschen und der junge Mann daneben (von der Sorte: zu dünn gekleidet, rundum erforen aussehend, aber mit Mütze) lächelt fein und hält es fest, bis sein Banknachbar fertig ist mit kramen. Vor dem letzten Halt saß gegenüber eine ältliche Dame mit Buch – sicherlich Erbauungsliteratur – die es geschafft hat, sogar auf der Innenseite ihres Kaffeebechers pinkfarbenen Lippenstift zu hinterlassen. Keine Ahnung, wie sie das gemacht hat. Außerdem drei halbstarke Jungs, einer sieht etwas verwahrlost aus, einer brav und einer etwas verhuscht. Sonderbare Zusammenstellung, die drei – man sollte nicht meinen, daß sie sehr viel gemein haben. Nach einer Weile nehmen sie Sandwiches mit Teller mit ins Abteil, bringen die leeren Teller aber später artig zurück. Schließlich ist gleichzeitig mit mir – aus dem verspäteten Regionalexpress, dessentwegen wir nun alle verspätet sind – ein junger Mann, noch in Arbeitskleidung, leuchtend besetzt mit neongelben Reflektoren und mit Siemens-ID Kärtchen, eingestiegen. Er hat wuschelige, seitlich aus der Stirn gekämmte, blonde Haare, blaue Augen und sähe aus wie eine zu groß geratene schlaksige Putte, trüge er nicht am linken Auge ein Pflaster, das in seinem Gesicht weiß leuchtet. Alle paar Minuten tippt er auf seinem Handy rum, trotz der derben Kleidung sind seine Finger und Nägel makellos sauber, und lächelt dabei ganz glücklich. Ich stelle mir vor, daß er auf dem Weg ins Wochenende zu seiner Liebsten ist, sich freut, daß der ICE gewartet hat und er zumindest bis auf weiteres pünktlich sein wird. Sie schreibt zurück und freut sich auch und so tauschen die zwei endlos und geduldig Liebeleien und Zärtlichkeiten aus, wie es nur frisch Verliebte tun, und genießen die Vorfreude aufs Wiedersehen, während er sich dem Zielort entgegensehnt. Dem Bahnsteig, auf dem sie schon wartet, etwas hektisch mit den Augen den Zug rauf- und runtersuchend, um ihn nur nicht zu verpassen, wenn er aus dem Zug steigt oder – noch schlimmer – in dem Menschengewusel momentelang zu übersehen. Er hingegen stünde an der Tür ganz vorne, einen Schritt Abstand zum Glas, um besser die Personen auf dem Bahnsteig sehen zu können und dann flöge sie geradezu in seine Arme (wo man ihn doch so gut sieht in der gelben Jacke, die wie ein Schrei all die dunkeln Mäntel ausblenden würde). Andererseits hat der junge Mann besondere, leicht hochgezogene Mundwinkel und so scheint er eigentlich immer leicht amüsiert, vielleicht wohlwollend zu lächeln – und seine Telefon-Fixierung hat nichts zu bedeuten außer der Langeweile des Reisenden ohne Lektüre.
600 km durch Deutschland und alles ist weiß. Im Norden sieht man mehr von der Welt und der Schnee ist es eine etwas schäbige, leicht zerfetzte Decke, nach Süden hin meint man, die Bäume und Sträucher müssten beinahe zusammenbrechen unter der dicken, weißen Last, aber wohin man schaut, auf der gesamten Strecke: Schnee, Schnee, Schnee. Kaum zu fassen, daß die Welt in wenigen Monaten wieder bunt werden wird, daß es gelbe Rapsfelder und Felder und Wälder in den verschiedensten Grüntönen geben wird. Für den Moment ist das Draußen ein Foto in Sepia: braun schattierte Sträucher, schmutzig-weißer Schnee und grauer Himmel. Sonst nichts.
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