Mittwoch, 8. Juli 2009
Zuviel der Ehre!
Hier sitze ich in meinem Büro (heute kein Kampf um die Einstellung der Klimaanlage mit Bürogenossin, weil selbige aushäusig ist), versuche mich zur Arbeit zu motivieren, und wartewartewarte. Ich hasse warten. Brave BWL-Studenten lernen früh, auf die Frage nach den persönlichen Schwächen so was wie „Ungeduld“ zu antworten – das kann nämlich auch gute Seiten haben. Ich bin aber wirklich entsetzlich ungeduldig. Ein „ich-jetzt-alles-sofort“ Mensch. Wenn ich entschlossen bin, dann mache ich, und zwar zackig. Das hier hingegen, auf geistig gepackten Koffern sitzend, mit kribbeligen Füßen wegen der bevorstehenden Abreise – ist meine Sache so überhaupt nicht.
Und während ich so die Zeit rumbringe, abwechselnd ein paar Infos über Centrafrique sammele, e-Mails abrufe, und ziellos in diesem und jenem Blog nach Artikeln suche, die mich dem Feierabend fünf Minuten näher bringen:

Große Freude! Zuviel der Ehre!

Ich bin auf Blogrolls. Ich fasse es nicht. Bin sprachlos und glücklich und fühle mich geehrt. Sehr sogar. In aller Bescheidenheit habe ich im Januar hier angefangen, weil das schöne rindslederne Tagebuch zu schwer für den Koffer war und ich die vielen großen und kleinen Erlebnisse nicht dem Vergessen anheim fallen lassen wollte. Ich habe mich seither über jeden, wirklich jeden einzelnen Kommentar gefreut, kann man manchmal kaum glauben, daß es Menschen da draußen gibt, die bei mir gerne mitlesen. Und vor allem: kluge Menschen, die ich zu schätzen gelernt habe im Laufe des letzten halben Jahres, deren Interesse mir zur Ehre gereicht.

Damit habe ich seinerzeit wahrhaftig nicht gerechnet. Bei dem ein oder anderen Bekannten hatte ich vorher mal in Reiseblogs aus studentischen Zeiten mitgelesen, meist im Stil: „erst war ich hier, dann war ich da, dann habe ich das gemacht, dann kam einer, der sagte....“. Ich bitte um Verzeihung, das fand ich entsetzlich öde und habe nur aus Loyalität und Freundschaft gelegentlich vorbeigeschaut.
Daß es auch anders geht, wurde mir erst im Frühjahr klar. Spätes Mädchen, sozusagen. Ich habe ganze Abende lang meine Bücher kaum in die Hand genommen, hier festgelesen, da geblättert, dort mitgelacht und nachgedacht. Manches Mal habe ich mich gefragt: wo verstecken sich diese vielen klugen, nachdenklichen, witzigen, vielseitig interessierten Menschen im richtigen Leben? Mal finde ich mich selbst in Einträgen wieder – bei anderen wiederum kann ich mich über die Fremdheit nicht genug wundern. Aber eine große Bereicherung meines Alltags ist es geworden. Lesen wie auch selber schreiben. An manchen Tagen, wenn ich heimwehgequält vorm Rechner saß und von aller Welt verlassen fühlte, haben mich Zuspruch und Interesse völlig fremder Menschen tatsächlich getröstet. Ich habe Zugang zu Themen erhalten, die sich mir nie erschlossen hätten, Einblicke in Welten erhalten, die in Deutschland so nah und doch von meinem Umfeld so fern waren oder sind. Habe den Kopf geschüttelt über schwachsinnige Meinungen, gedanklich genickt bei anderen, und mich fast immer prächtig amüsiert.

Ein afrikanischer Freund beschwerte sich einmal, emanzipierte deutsche Damen seien erstaunlich unfähig, Komplimente und Geschenke mit Grazie zu akzeptieren. In diesem Fall aber ein sehr damenhaftes, aufrichtig erfreutes, herzliches Danke: für Anwesenheit, Interesse, Kommentare. Es ist mir eine Ehre und ein Vergnügen!

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Dienstag, 7. Juli 2009
Reiseplanung für Fortgeschrittene
Zeit für einen hysterischen Lachanfall. Es war jedes einzelne Mal so sagenhaft einfach, nach Nordafrika zu reisen: Flug buchen, Paß einpacken, am Flughafen Stempel bekommen, fertig. Schön, einmal mußte ich für den Stempel bezahlen (aber nicht viel) und als verantwortungsbewußter junger Mensch habe ich mich vorher noch schnell gegen Typhus impfen lassen und Hepatitis aufgefrischt. Kinderspiel.

Subsahara Afrika ist hingegen eine andere Hausnummer.
Das Visum: erst habe ich keine Botschaft in Tunis gefunden (selber schuld, wer auf englisch nach einer frankophonen Botschaft sucht), dann wollte man mir mangels Aufenthaltserlaubnis hier kein Visum geben, dann wurde ich bei meinem derzeitigen Arbeitgeber von einer Abteilung zur nächsten verwiesen zwecks Arbeitsbestätigung. Als ich endlich froh und erleichtert alle Unterlagen in der Botschaft abgegeben hatte, dortselbst kontrolliert, und um eine nicht unerhebliche Summe ärmer war*, war die Woche vorbei. Ich möge Montag das Visum abholen. Auf Anraten der erfahrenen Kollegen gestern morgen angerufen: Visum noch nicht fertig, man würde mich benachrichtigen. Wie? Meine Telefonnummer? Ach ja, bitte. Eine Stunde später: die Note Verbale sei nicht unterschrieben. Wieder in Kinshasa nachgefragt, dort Dokumentenstau, Office-Programme nicht kompatibel, Dokumente lassen sich nicht öffnen. Abends Note Verbale mit Unterschrift erhalten. Heute morgen also zum dritten und hoffentlich vorletzten Mal der Botschaft einen Besuch abgestattet, ich möge Mittags wiederkommen.
Der Flug: Mißverständnisse über Reisedaten, Versicherungen, Direktflüge gibt es ohnehin von Tunis keine. Air Ethiopia mag ich nicht fliegen. Über Johannesburg (40 Stunden) auch nicht. Eine Nacht Charles-de-Gaulle brauche ich noch weniger. Flüge sind im Internet sind nicht umbuchbar. Kreditkarte wegen zu geringem Limit zurückgewiesen. Mit Bank telefoniert. Mit Air France telefoniert. Die Buchungsbestätigung würde mir innerhalb von 24 Stunden zugehen. Nachgefragt. Bald. Noch mal nachgefragt. Bald. Heute wieder nachgefragt: nun werde man Nachforschungen anstellen. Ich habe mit Air France in den vergangenen Tagen mehr telefoniert als mit meinem gesamten Freundeskreis.
Die Malaria-Prophylaxe: andernorts schon ausgebreitet.
Erster Eindruck: Subsahara Afrika ist ein Irrenhaus. Und damit man sich schneller einlebt, wird man schon vor der Einreise irre gemacht.

*Extra-Gebühr für Visumsantrag am Freitag statt am Dienstag einreichen und so, aber sie haben es offenbar nötig: die Kakerlakenleichen vom Montag lagen auch am Freitag noch in derselben Ecke.

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Montag, 6. Juli 2009
Carthage
Die Dame von Welt hat sich dieses Wochenende noch mal gebildet. Wäre auch wirklich beschämend gewesen, sechs Wochen in Tunis und immer noch nicht die Ruinen von Karthago gesehen. Da ist ja wirklich jeder All-Inclusive Tourist aus Hammamet kulturbeflissener, die werden nämlich an den Wochenenden busladungsweise durch Carthage gekarrt. Was immerhin eine hervorragende Orientierungshilfe war: folge den Bussen und Du findest die Sehenswürdigkeiten.

Gestern nun also war ich mit meinem italienischen Reisegefährten L.* verabredet. Carthage ist heute einer der schöneren Vororte von Tunis und so läuft man abwechselnd durch Villengebiete mit gepflasterten Straßen und überhängenden Bougainvilleen und stolpert über Ruinenfelder dazwischen. Wenn man Glück hat, findet man zwischendurch ein Hinweisschild, oder man hat eine Reisebegleitung mit gutem Orientierungssinn (und damit meine ich nicht L.). Der Gute kam ein bißchen später, weil er noch eine Maschine Wäsche waschen wollte und dabei die Entdeckung machte, daß die Maschine beim Schleudern durch die Küche wandert. Folglich war seine Anwesenheit bis zum Ende des Waschgangs erforderlich, um die Maschine am Platz zu halten.

Unser erstes Ziel war die Villa Romaine, eine Ansammlung Ruinen auf Byrsa Hill, ein paar Steine, abgebrochene Säulen, aber fantastische Aussicht.





Die Pförtner ordneten uns sogleich als deutsch-italienisches Pärchen ein, kurzer Plausch, sie freuten sich aufrichtig, unsere Nationalitäten richtig geraten zu haben.
Danach haben wir die Thermen von Antonius besichtigt, noch mehr Ruinen, noch mehr tolle Aussicht und zum Schluß sind wir zum Punischen Hafen getrabt. Das nun, ist in der Tat interessant. Wenn man den kläglichen kleinen Teich sieht, ist man arg enttäuscht und braucht viel Phantasie, aber britische Archäologen haben ein fantastisches Modell gebaut mit dessen Unterstützung man dem Vorstellungsvermögen auf die Sprünge helfen kann: sowohl auf der runden Insel in der Mitte als auch rund um den Außenrand waren zu phönizischen Zeiten Docks aneinandergereiht, die insgesamt Platz für 220 Schiffe boten. Natürlicht nicht vom Ausmaß eine QEII, aber immerhin. Sehr beeindruckend. Gleichzeitig war das ein so friedlicher und abgeschiedener Ort, daß ich mir nur mit Mühe vorstellen konnte, daß dies der militärische Heimathafen der maritimen Vormacht ihrer Zeit war.





Ich wünschte mir die ganze Zeit, statt meines gutwilligen doch mäßig interessierten Begleiters den klugen Holzkopf von letzter Woche dabei zu haben: der hätte mich nämlich ganz sicher mit endlosen Vorträgen über Geschichte, Entwicklung und Zusammenhänge unterhalten können. Was ich toll finde. Statt dessen habe ich versucht, mich an das zu erinnern, was er mir gelegentlich erzählt hat und mußte mit den kurzen Absätzen aus dem Reiseführer Vorlieb nehmen.
Um sieben Uhr waren wir so erschöpft von unseren intensiven Bildungsbemühungen in backofenartiger Hitze, daß es Zeit fürs Abendessen schien. Nachdem alle anständigen Restaurants hier natürlich erst ab 20 Uhr geöffnet habe (insbesondere solche, die alkoholische Kaltgetränke anbieten), landeten wir in einer eher touristischen Lokalität an der La Marsa Corniche. Die Kellner waren jedoch überaus bemüht, brachten zuerst L.s Salat, ganz ungefragt ein zweites Tellerchen für mich zum probieren und entschuldigten sich wortreich für die Verzögerung meiner Pasta. Die war gar nicht schlecht und großzügig mit Muscheln, Tintenfisch und Crevetten bestückt (die Monate mit r Regelung ist hier unbekannt). Bis allerdings L.s Pizza irgendwann eintraf, war ich längst fertig mit den Spaghetti und L. nicht mehr hungrig.



Ein schöner Tag, das.

*Ingenieur für eine italienische Firma, für mindestens ein Jahr in Tunis, fast zeitgleich mit mir angekommen, außerdem ein fantastischer Koch! Zaubert spätabends aus dem Stegreif Nudeln und Bruschetta. Durch und durch ein netter Kerl und prima Begleiter für Besichtigungen und Ausgehen. Allerdings: Orientierungsvermögen sechs minus.

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