Zuviel der Ehre!
Hier sitze ich in meinem Büro (heute kein Kampf um die Einstellung der Klimaanlage mit Bürogenossin, weil selbige aushäusig ist), versuche mich zur Arbeit zu motivieren, und wartewartewarte. Ich hasse warten. Brave BWL-Studenten lernen früh, auf die Frage nach den persönlichen Schwächen so was wie „Ungeduld“ zu antworten – das kann nämlich auch gute Seiten haben. Ich bin aber wirklich entsetzlich ungeduldig. Ein „ich-jetzt-alles-sofort“ Mensch. Wenn ich entschlossen bin, dann mache ich, und zwar zackig. Das hier hingegen, auf geistig gepackten Koffern sitzend, mit kribbeligen Füßen wegen der bevorstehenden Abreise – ist meine Sache so überhaupt nicht.
Und während ich so die Zeit rumbringe, abwechselnd ein paar Infos über Centrafrique sammele, e-Mails abrufe, und ziellos in diesem und jenem Blog nach Artikeln suche, die mich dem Feierabend fünf Minuten näher bringen:

Große Freude! Zuviel der Ehre!

Ich bin auf Blogrolls. Ich fasse es nicht. Bin sprachlos und glücklich und fühle mich geehrt. Sehr sogar. In aller Bescheidenheit habe ich im Januar hier angefangen, weil das schöne rindslederne Tagebuch zu schwer für den Koffer war und ich die vielen großen und kleinen Erlebnisse nicht dem Vergessen anheim fallen lassen wollte. Ich habe mich seither über jeden, wirklich jeden einzelnen Kommentar gefreut, kann man manchmal kaum glauben, daß es Menschen da draußen gibt, die bei mir gerne mitlesen. Und vor allem: kluge Menschen, die ich zu schätzen gelernt habe im Laufe des letzten halben Jahres, deren Interesse mir zur Ehre gereicht.

Damit habe ich seinerzeit wahrhaftig nicht gerechnet. Bei dem ein oder anderen Bekannten hatte ich vorher mal in Reiseblogs aus studentischen Zeiten mitgelesen, meist im Stil: „erst war ich hier, dann war ich da, dann habe ich das gemacht, dann kam einer, der sagte....“. Ich bitte um Verzeihung, das fand ich entsetzlich öde und habe nur aus Loyalität und Freundschaft gelegentlich vorbeigeschaut.
Daß es auch anders geht, wurde mir erst im Frühjahr klar. Spätes Mädchen, sozusagen. Ich habe ganze Abende lang meine Bücher kaum in die Hand genommen, hier festgelesen, da geblättert, dort mitgelacht und nachgedacht. Manches Mal habe ich mich gefragt: wo verstecken sich diese vielen klugen, nachdenklichen, witzigen, vielseitig interessierten Menschen im richtigen Leben? Mal finde ich mich selbst in Einträgen wieder – bei anderen wiederum kann ich mich über die Fremdheit nicht genug wundern. Aber eine große Bereicherung meines Alltags ist es geworden. Lesen wie auch selber schreiben. An manchen Tagen, wenn ich heimwehgequält vorm Rechner saß und von aller Welt verlassen fühlte, haben mich Zuspruch und Interesse völlig fremder Menschen tatsächlich getröstet. Ich habe Zugang zu Themen erhalten, die sich mir nie erschlossen hätten, Einblicke in Welten erhalten, die in Deutschland so nah und doch von meinem Umfeld so fern waren oder sind. Habe den Kopf geschüttelt über schwachsinnige Meinungen, gedanklich genickt bei anderen, und mich fast immer prächtig amüsiert.

Ein afrikanischer Freund beschwerte sich einmal, emanzipierte deutsche Damen seien erstaunlich unfähig, Komplimente und Geschenke mit Grazie zu akzeptieren. In diesem Fall aber ein sehr damenhaftes, aufrichtig erfreutes, herzliches Danke: für Anwesenheit, Interesse, Kommentare. Es ist mir eine Ehre und ein Vergnügen!

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moslaemm, Donnerstag, 9. Juli 2009, 10:42
Was sind "Blogrolls"?
Ist das so etwas wie Fertigteig?

damenwahl, Freitag, 10. Juli 2009, 11:55
Eine Liste mit Verweisen auf andere Blogs. In der Regel solche, die der Blogger selbst gerne liest. Hat aber nicht jeder. Ich, zum Beispiel, noch nicht.

nnier, Donnerstag, 9. Juli 2009, 11:18
Das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite, und im übrigen ist es mir mit vielem, was Sie da beschreiben, ähnlich gegangen. Jahrelang hatte ich von "Blogs" gehört und gelesen und sie als die neueste, grellbunt angemalte Sau, die gerade durchs Dorf getrieben wird, innerlich abgetan. Erst, als wieder Ruhe war, ging ich dem Impuls nach, mir das mal in Ruhe anzusehen. Und was es da zu entdecken gab (und gibt)!

Noch heute bin ich übrigens froh, dass ich bei der insgesamt sehr sympathischen Gemeinschaft von blogger.de gelandet bin - eine eher zufällige Wahl damals.

mark793, Donnerstag, 9. Juli 2009, 11:34
Ja, geht/ging mir ähnlich. Ich hatte hier zufällig ein Plätzchen ergattert, als das Anlegen neuer Blogs nur alle Jubeljahre möglich war und ansonsten die Blogwilligen auf der Hilfe-Seite Schlange standen.

Freilich sind auch viele der Blogs von damals nicht mehr aktiv, aber es sind noch immer lesenswerte Angebote nachgekommen. Und dass das Schmoren im ewig gleichen Saft auf Dauer einer Community auch nicht zwingend guttut, sieht man ja drüben bei antville.

donalphons, Freitag, 10. Juli 2009, 00:32
Nun ja, das Blog hier hat eben etwas. Vielleicht wäre es nicht so gut, wenn es in Frankfurt spielte, aber die Exotik hat schon was.

sunny5, Freitag, 10. Juli 2009, 16:28
Es ist ja nicht nur die Exotik, sondern die ganze Melange. Ich stelle es mir großartig vor, wie Frau Damenwahl demnächst in Kinshasa abends auf ihrem Bett sitzt, Don Carlos hört und vielleicht dazu einen Blogeintrag verfasst (und mir nebenbei eine Mobutu-Postkarte schreibt;).

Frau Damenwahls Blog ist dem meinen Leben zwar fern, aber meinen Wünschen, wie es sein könnte, doch sehr nah. Außerdem finde ich sie sympathisch. :)

damenwahl, Freitag, 10. Juli 2009, 19:45
Sie sehen es nicht, aber ich erröte gerade. Doch wirklich. Vielen Dank.

Bis auf weiteres bleibt es ja auch exotisch - und sollte ich irgendwann eine Karriere als Buchhalter in Frankfurt anstreben, sage ich rechtzeitig Bescheid.

Im übrigen schätze ich mich auch glücklich, gerade in diesem Haus ein Appartement gefunden zu haben, die Nachbarn sind so nett wunderbar.

jean stubenzweig, Freitag, 10. Juli 2009, 04:24
Ehre, wem Ehre gebührt. Denn Sie haben nicht nur was zu erzählen, Sie helfen damit auch, den einen oder anderen von der Routine leicht getrübten Blick wieder zu entschleiern.

damenwahl, Freitag, 10. Juli 2009, 19:48
Vielen Dank für die warmen Worte! Allerdings hatte ich bislang nicht den Eindruck, daß Ihr Blick das nötig hätte.