Expat Alltag: Haussuche
Letzte Woche war ich mit einem Kollegen house hunting. Er wird im September anfangen, hier zu arbeiten, und war zehn Tage zur Vorbereitung hier: Einweisung in die Arbeit, Wohnungssuche und Orientierung. Praktischerweise hatte er für die gesamte Woche ein Auto mit Fahrer. Dieser wartet brav den ganzen Tag, egal wo es hingeht. Zwischendurch, wenn wir im Büro sind, geht er vielleicht mal um die Ecke ein Sandwich essen oder plaudert mit den Wachen, ist aber stets über Handy erreichbar und hält sich tatsächlich den ganzen Tag zur Verfügung. Im Zweifel findet man ihn dösend mit dem Kopf auf dem Lenkrad. Wenn es abends spät wird – also nach neunzehn Uhr oder so – bekommt der Fahrer zehn Dollar Trinkgeld, was in etwa seinem täglichen Einkommen entsprechen dürfte. Wenn dumme Europäer das noch nicht wissen oder vergessen, erklärt er in klagendem Ton, daß er den ganzen Tag noch nichts gegessen habe und jetzt sehr müde sei. Diesen Hinweis muß man als dummer Europäer natürlich zu interpretieren wissen – ich habe inzwischen dazugelernt. Und konnte glücklicherweise letzte Woche meinen anfänglichen Lapsus wiedergutmachen, indem ich mit einem Mittel gegen Kopfschmerzen aushalf.

Zurück zur Wohnungssuche. Wohnen in Kinshasa ist teuer. Die Stadt ist riesig, vor allem aber mehr breit als hoch. Mehrstöckige Bauten gibt es vorwiegend im Stadtzentrum – drumherum kann man kilometerweit durch endlose Flächen mit Hütten und Slums fahren. Der Stadtteil, in welchem die meisten Botschaften, Banken, Unternehmen sitzen – Gombe – ist auch jener, wo man als Expatriat wohnen möchte. Freistehende Häuser gibt es wohl, sind allerdings ausgesprochen teuer und für die meisten meiner Kollegen überflüssig – Kinshasa ist kein family posting. Kollegin G. zum Beispiel ist ohnehin unbemannt, Kollege S. wiederum hat seine Familie in den Staaten und plant, seine Wochenenden eher in Brüssel oder Paris zu verbringen – auch wenn mir das eine sehr sonderbare Lebensplanung zu sein scheint. Kollege S. sucht daher eher nach einem Apartment. Eine Option wäre natürlich, den Bungalow von Kollegin G. zu übernehmen, wenn diese demnächst den Dienstort wechselt. Der Bungalow liegt in einer concession, ist also ummauert, mit großem Tor und Stacheldraht, Wachpersonal und eigenem Generator. Innerhalb des Grundstücks befinden sich drei Bungalows – selbstverständlich alle von Expats bewohnt – sowie fast außer Sicht einige Baracken der Wachleute. Außerdem Parkplätze, ein unbenutzter und verkommener Tennisplatz mit Betonboden und ein bißchen Grün vor den Häusern. Vom Hintereingang sieht man den ebenfalls verstacheldrahteten Eingang zu einer der unzähligen UN-Niederlassungen in der Stadt. Der Bungalow hat ein Wohn-Eß-Küchenzimmer, zwei kleine Schlafzimmer mit jeweils eigenem Bad und eine wirklich hübsche Terrasse, alles möbliert, – zum Preis von 3.500 Dollar, wenn ich mich recht erinnere. Häuser sind, wie gesagt, noch deutlich teurer.



Mit Kollege S. hatte ich Gelegenheit, mir weitere mögliche Unterkünfte anzuschauen, interessant, vor allem da meine Kollegen sich redlich bemühen, meinen Lebenslauf in Kinshasa herumzureichen und mir zur Weiterbeschäftigung zu verhelfen - auch wenn ich gar nicht weiß, ob ich das will.

S. hatte zu diesem Zweck Kontakt mit einem Immobilienmakler aufgenommen, der hier eine Provision von einer Monatsmiete bekommt – was aber, wie Sie selber ausrechnen können, mehr ist als die meisten deutschen Makler für eine normale Wohnung jemals erhoffen könnten. Die erste Adresse war ein recht ordentliches Appartement Haus um einen kahlen Innenhof. Alles wirkte sehr neu (außer der Küche), die Möbel scheußlich, die Wohnung zu dunkel. Auch hier ein Wohn-Eßzimmer und zwei Schlafzimmer. Der Vermieter glänzte durch ausgesprochene Dienstbeflissenheit – auch wenn er auf mich etwas fischig wirkte – und versicherte, sämtliche Reparaturen würden immer umgehend vorgenommen, man habe dafür spezielles Personal. Dies eine nützliche Zusagen, in diesem Land mit seinen vielen chinesischen Schrott-Importen, wenn es denn der Wahrheit entsprach. Außerdem Internet in der Wohnung, in der Tat echter Luxus. Kostenpunkt: Schnäppchenpreis von 2.500 Dollar. Günstiger findet man in Kinshasa kaum etwas, das auch nur annähernd europäischen Standards genügt. Selbst in Frankfurt oder München würde man für diese Größe in guter Lage – und Gombe ist unzweifelhaft die einzige bevorzugte Wohnlage hier, nicht mehr als 1.500 Euro zahlen für die geschätzten achtzig Quadratmeter.

Unser zweites Ziel war leider ein Fehlschlag, der Vermieter nicht anwesend. Folglich fuhren wir weiter zu einem Gebäude das an einer der vielen Schotterpisten lag, die Straße wirkte auf den ersten Blick belebt aber nicht ganz so bevorzugt wie die vorigen beiden Adressen, das Tor zur Straße war klein und unauffällig, die Anlage selbst jedoch eine angenehme Überraschung. Ein Bungalow und vier Appartements oberhalb von offenen Garagenstellplätzen um einen Innenhof gruppiert, in der Mitte ein kleiner Swimmingpool und eine hübsche, begrünte Terrasse zur allgemeinen Nutzung. Der Eingang zum Bungalow war ebenfalls hübsch begrünt, durch einen wintergarten-ähnlichen Raum betraten wir eine kleine, aber sehr gut ausgestattete Küche. Dahinter ein Wohn-Esszimmer und wie üblich zwei Schlafzimmer, diesmal mit nur einem Bad. Die Wohnung war ähnlich dunkel wie die vorherigen, dafür aber vergleichsweise geschmackvoll eingerichtet. Nicht so, daß ich mir die Möbel selbst ausgesucht hätte, aber doch so, daß ich mich unter diesen Umständen nicht schämen würden, mit ihnen identifiziert zu werden. Schwarze Sitzecke aus Leder in Stahlrohren eingefaßt, die Eßzimmermöbel in rot und schwarz, die Betten unauffällig schlicht. Und der Pool natürlich, ein echter Vorteil. Im Vergleich zu der ungleich besseren Ausstattung war der Preis mit 2.800 Dollar immer noch eine deutliche Besserung zum vorigen Appartement.

Danach hatte sich der Makler tatsächlich die Mühe gemacht, auch für mich noch einige Objekte rauszusuchen. Zu dem Zeitpunkt war ich noch auf der Suche und angesichts meines begrenzten Budgets und der kurzen Verweildauer hier auf erhebliche Schwierigkeiten gefaßt. Die erste Adresse führte uns über 100 Meter Schlaglochpiste und nicht einmal zum Erfolg, erneut war der verantwortliche Vermieter nicht da. Das nächste Haus war ein schäbiges, schmutziges Appartement Gebäude, im Hof herumlungernde Menschen, kein Sicherheitspersonal. Zuerst wurden wir zwecks Ablenkung und Unterhaltung in eine riesige Wohnung in der ersten Etage gebeten. Neben etlichen leeren, verkommenen, unsagbar dumpfen Räumen gab es ein feudales Wohnzimmer mit Stuck und eingelassenen Halogenstrahlern unter der Decke, den bislang häßlichsten Möbeln unserer Besichtigungstour, das alles in krassem Kontrast zu den unrenovierten Räumen nebenan. Ikea Blümchenbettwäsche. Nachdem wir schon die Hoffnung aufgegeben hatten, daß dieser Vermieter wenigstens auftauchen würde und wieder auf dem Weg in die Stadt waren, erreichte uns ein Anruf: jetzt doch. Die Wohnung, als wir sie endlich sahen, war ein Albtraum. Die Küche Schrott. Der Wasserhahn verplombt. Das Schlafzimmer entsetzlich dreckig, die Möbel im Wohnzimmer verkommen. Schmutzig, schäbig, trostlos – alles. Natürlich keine Waschmaschine, ich hätte also für sechs Wochen selbst in der Dusche Hand an meine Textilien legen müssen. Für 1.300 Dollar. Optimistin, die ich bin – manchmal – versuchte ich mich damit zu trösten, daß dies immerhin eine Notfalloption sei, ein bezahlbares Dach über dem Kopf.
Abends erwartete mich dann die letzte Besichtigung des Tages, diesmal in einer Wohngemeinschaft. Schon vor meiner Ankunft hatte die Kollegin mich mit einigen UN Mitarbeitern in Kontakt gebracht (tendenziell offenbar schlechter bezahlt, daher eher wohnungsteilend) und nach langem hin und her und den ganzen Verzögerungen um meinen Vertrag war diese Option immer noch offen. Diesmal ein achtstöckiges Appartement House am Boulevard du 30 Juin, der Hauptverkehrsstraße in Gombe. Von außen nicht sehr hübsch, ein klappriger LastenAufzug in die siebte Etage, es roch überall durchdringend nach Öl und fast hätte ich mir vorstellen können, mich auf einer Bohrplattform zu befinden, als ich die schmale Stiege zum Dach hochkletterte. Die Wohnung hat drei kleine Schlafzimmer, zwei Bäder, ein hübsch eingerichtetes Wohnzimmer – ich war geradezu glücklich, ein einziges Mal ein Wohnzimmer zu sehen, das ich wirklich wohnlich und geschmackvoll fand – eine Küche mit Waschmaschine – und eine umlaufende Terrasse mit fantastischer Aussicht! Von der Sitzecke auf der Terrasse auf den Fluß bis nach Brazzaville, von den Schlafzimmern aus über die gesamte Stadt bis ins Hinterland. Nur aus Lichtern in der Dunkelheit bestehend, ist sogar Kinshasa nicht ganz reizlos. Die beiden Bewohner, zwei sehr nette Briten, waren sich anfangs nicht ganz schlüssig, ob sie die Beteiligung an der Miete (Gesamtkosten der Wohnung 2.500 Dollar) so notwendig brauchen, daß sie dafür ihre gemütliche Zweisamkeit aufgeben würden. Offenbar waren sie bislang immer meist zu zweit, der Hauptmieter ist seit zwei Jahren hier, der andere wiederum ein Freund und derzeit als Berater/Praktikant für einige NGOs tätig und beteiligt sicher daher – sagen, wir, in geringerem Umfang an der Miete. Dennoch habe ich mit 1.000 USD ein definitives Schnäppchen gefunden. Einen Nachteil hat die Angelegenheit: Kehrseite der fantastischen Aussicht vom Wohnzimmer ist die Aussicht auf die Straße vom Schlafzimmer nächtens, wenn die LKWs unter enormer Lärmentwicklung über die mäßig gut geteerte Hauptstraße holpern. Kollateralinvestment: 8 USD für Ohrstöpsel.

Das ist übrigens ganz grundsätzlich ein Rätsel für mich: es gibt hier wunderbare, ausgesprochen schöne, handgearbeitete Möbel aus afrikanischem Holz von Kunsthandwerkern zu kaufen, schlicht, geschmackvoll, geradezu edel. Und mit 100 Dollar für ein Sideboard, oder 300 bis 400 Dollar für Regale oder Tische auch nicht unmäßig teuer – dies übrigens Preise in einem der besseren Kunsthandwerksläden. Ich verstehe gut, daß man sich in einem Krisenland nicht mit sperrigen Besitztümern einschränken will. Andererseits: drei Jahre in chinesischem Schrott zu leben fände ich noch schlimmer als den eventuellen Verlust im Vergleich zu der Lebensqualität, die einem ein schönes Zuhause bietet. Nun ja, nicht mein Problem, vorerst.

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pathologe, Mittwoch, 29. Juli 2009, 13:24
Hat die Wirtschaftskrise sich noch nicht in den Preisen niedergeschlagen? Hier findet man inzwischen bezahlbare Bleiben. Also verglichen mit den Preisen vor etwas ueber einem Jahr. Wir haben hier ein 2-bedroom-flat, moebliert, Erstbezug, bekommen. Vor etwas mehr als einem Jahr. Beide Schlafzimmer mit Duschbad, 172 Quadratmeter insgesamt. Monatsmiete 14.000 Riyals (als Neubezuegler koennte man die Wohnung inzwischen fuer 12.000 QAR bekommen), das sind etwa 3.850 USD. Dafuer Tiefgarage, Security, Aufzuege, Pool auf dem Dach, Fitnessraum, Waschmaschine und Trockner und Satellitenfernsehen. Villen gibt es inzwischen auch zu diesem Preis, meist unmoebliert.

damenwahl, Mittwoch, 29. Juli 2009, 13:55
Ha! Pool ist hier die totale Ausnahme und von der Größe für das Geld kann man hier nur träumen. Tiefgaragen gibt es nicht, nur staubige Innenhöfe. Nix Wirtschaftskrise. Morgen kommt Teil 2: Einkauf im Supermarkt.