Kuriositäten
Man muß sich wundern, wie ein weitgehend dysfunktionaler Staat dazu kommt, mehr Autokennzeichen zu administrieren als die meisten europäischen Länder. Diese Erfahrung habe ich schon in Tunis gemacht, wo ich gleich am ersten Tag vier verschiedenen Kennzeichentypen begegnet bin: zum Beispiel tragen die Privatfahrzeuge der Mitarbeiter der größten internationalen Organisation vor Ort eigene Kennzeichen mit der Kennung P.A.T. – Personnel Administratif et Technique, oder so ähnlich.

Die Vielfalt hier ist jedoch bedeutend größer. Am häufigsten sind blaue Kennzeichen mit gelben Buchstaben, wobei die ersten beiden Buchstaben – genau wie in daheim in Deutschland – die Zugehörigkeit zur Region anzeigen, zum Beispiel KN für Kinshasa, EQ für die Provinz Equateur. Als Geldbeschaffungsmaßnahme für den chronisch klammen Staat gibt es seit einiger Zeit neue Kennzeichen für alle Normalbürger, schwarze Buchstaben auf weißem Grund mit kongolesischer Flagge verziert, die ganz rechts – gewissermaßen von hinten – die Zugehörigkeit zur Region anzeigen, nunmehr 01 für Kinshasa. Die kongolesischen Kennzeichen, die man auf der Straßen sehen kann, sind so unglaublich vielfältig, dass man sich wundern müsste, was Autos aus den entferntesten Winkeln dieses riesigen Landes in der Metropole zu suchen haben, wenn nicht allgemein bekannt wäre, dass ein nicht unwesentlicher Teil der Plaketten schlicht gefälscht ist. Der Staat hat also gar nicht so viel zu administrieren, wie ich anfangs dachte – andererseits fehlt es an den entsprechenden Einnahmen, was wiederum zur Unfähigkeit der Administration beitragt. Ein kleines, alltägliches Beispiel dafür, wie schwierig es ist, funktionierende Strukturen aufzubauen, wenn sich die Probleme immer wieder gegenseitig verschärfen.

Die Armee hat selbstverständlich eigene Kennzeichen mit FARDC plus Nummer – Forces Armées Republique Democratique du Congo – , ebenso wie manche Regierungsorgane.
UN Fahrzeuge tragen Schilder der Form UN-1980 (im übrigen sind die Autos tatsächlich weiß mit schwarzen Buchstaben auf der Seite), die Kennzeichen sind schwarz weiß. Internationale Organisationen und diplomatische Missionen haben natürlich CD Kennzeichen – hier in gelb-rot – es gibt aber auch noch ein CMD Kennzeichen, das für Chef de Mission Diplomatique steht. Privatfahrzeuge von Ausländern wiederum erhalten Kennzeichen in blau mit weißen Buchstaben der Art 123 I.T. 456. Sinn und Zweck der bunten Mischung ist, die Polizei wissen zu lassen, mit wem sie es zu tun haben, was hier allerdings – so habe ich mir sagen lassen, mangels eigener Anschauung – eher kontraproduktiv ist. Die Polizei hält nämlich bevorzugt Ausländer an – zum Wohle privater Geldbeschaffungsmaßnahmen – und erfindet Vergehen oder administrative Probleme, die sich mit einer kleinen Spenden regeln lassen. Offizielle Anweisung ist, die Fenster niemals mehr als einen Zentimeter hinunterzulassen – so können die Polizisten nicht die Hand hineinstecken und man kann sich notfalls davon machen. Niemals die eigenen Papiere aus der Hand zu geben, sondern selbige nur vorzuzeigen – andernfalls müsste man sicherlich bezahlen, um sie zurückzuerhalten. Inoffizieller Ratschlag der Kollegen ist, Polizisten einfach zu ignorieren und schnellstmöglich nach Hause zu fahren. Bei Militärposten ist jedoch unbedingt anzuhalten, diese setzen nämlich im Zweifel ihre Amtsgewalt mithilfe von Schusswaffen durch.

Ach ja: in Kinshasa herrscht unbedingte Anschallpflicht, zumindest auf den vorderen Sitzplätzen. Bei Nichtbeachten wird man von der Polizei angehalten. Immer. Wer allerdings am Ende die Strafgebühr erhält beziehungsweise behält, ist weniger klar.

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pathologe, Mittwoch, 5. August 2009, 11:03
Ebenso in Nigeria. Wird man dort durch die Verkehrspolizei angehalten, sollten alle Tueren verriegelt sein, denn sonst sitzt gleich einer mit im Auto. Bei Vergehen wird mit dem Verkehrsgericht gedroht, was aber leicht mit einer Vor-Ort-Bezahlung zu umgehen sei. Tipp: nie mehr als knapp 1000 Naira (5 Euro) in der Tasche haben und die bezahlen. Kleinvieh macht auch Mist.

Denn ein Kollege von mir wurde mal wegen Mobiltelefonbenutzung angehalten und musste alles, was er in Naira dabei hatte, bezahlen. Und das waren damals um die 100 Euro, die mit Sicherheit NICHT irgendwo in ein Staatssaeckel flossen, sondern unter den Beteiligten aufgeteilt wurden.