Donnerstag, 5. August 2010
Der Trend geht zum Zweitrechner
Der Lappi ist endlich angekommen, Anfang dieser Woche. Zwei Wochen Versand insgesamt, aber wir wollen nicht meckern. Nicht nur ist mein neuer kleiner Freund so klein und leicht, wie ich mir das vorgestellt habe – er ist auch in hervorragendem Zustand. Kaum Gebrauchsspuren zu sehen und der Riß im Gehäuse (der vermutlich potentielle Mitbieter abgeschreckt und mir den Zuschlag zugeteilt hat) ist praktisch nicht einmal zu sehen. Alles bestens also.

Es war schon eine ältere Version von Ubuntu drauf, relativ problemlos habe ich die aktuellste Distribution drübergespielt, auch ganz ohne CD-Laufwerk, nur von USB. Ich konnte meine Freude kaum fassen ob der Abwesenheit aller denkbaren Probleme. Verwunderung kam erst auf, als sich das W-Lan nicht aktivieren ließ, kein Schalter, Tastenkombination bliebe ohne Auswirkungen und nach einigen Nachforschungen im System wurde mir klar: ich habe keine Wireless Karte. Antennen wohl, verraten die geriffelten Seiten des Bildschirms, aber eben keine Karte.

Sehr dumm, das alles, aber Ersatz ist für weniger als zwanzig Euro zu haben und so sehe ich nun frohgemut meiner Karriere als Notebookschrauber entgegen – nächste Woche. Es kann ja nicht so schwer sein, nach Anleitung im Handbuch den Rechner zu öffnen, die Karte in den Slot zu stecken, die Antennen dranzumachen und wieder zuzuschrauben. Andere, so sage ich mir, schaffen das auch, aller Anfang ist schwer, es wird schon werden.

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Donnerstag, 29. Juli 2010
Der Lappi und die Post
Schon als ich diesen meinen wunderbaren Rechner gekauft habe, wollte ich eigentlich einen anderen, kleineren, leichteren. Ich bin ja in - für den globaliisierten Arbeitsmarkt - vorbildlicher Art und Weise mobil, selbst in meiner neuen Schweizer Seßhaftigkeit verbringe ich manches Wochenende in der Bahn auf dem Weg zu Freunden, Familie oder dem Liebsten, und mein heißgeliebtes Thinkpad ist ohne Zweifel ein ziemliches Trumm in der Reisetasche. Nicht daß ich die Entscheidung bereuen würde, die kleineren Modelle bei gleicher Rechnerkapazität hätten mein Budget gesprengt, und die Entscheidung war vernünftig. Trotzdem war ein kleines Thinkpad gewissermaßen ein Herzenswunsch, den zu erfüllen mir letzte Woche endlich ein Grund geliefert wurde.

Meine Arbeit bringt es mit sich, daß ich den Rechner auch mal mehr als fünf Stunden am Stück rechnen lassen muß, und damit ich nicht zu Hause arbeiten oder im Büro schlafen muß, schien ein Zweitrechner gerechtfertigt. Im Prinzip. Mit diesem tollen Kaufgrund, allerdings mehr aus Arbeitsaufschieberitis und Langeweile, guckte ich ein bißchen bei eb*y und erhielt, ehe ich noch so recht drüber nachgedacht hatte, den Zuschlag für einen X31 für weniger als hundert Euro.

Noch ganz überrascht von meinem Neuerwerb kontaktierte ich den Händler, nahm 30 Euro Versandkosten in Kauf - wollte ich mein Schmuckstück doch schnell haben - und da der gute Mann einen nicht besonders wendigen Eindruck machte, übernahm ich auch die Vorbereitung der Zollunterlagen. Was man so tut, wenn man es eilig hat, hoffte ich doch auf Zustellung noch in derselben Woche. Das wurde allerdings nix. Der Händler hielt seine Zusage, um 15 Uhr am selben Tag verzeichnete das Tracking von DHL die Annahme der Sendung und am selben Abend die Bearbeitung im Postzentrum in Hintertupfingen im Niemandsland. Zwei Tag brauchte es von da an ins Auslands-Paketzentrum von Speyer. Dies nicht gerade ein grenznaher Ort, aber gut. Um fünf Uhr morgens verließ mein neuer Lappi dieses zweite Paketzentrum gen Schweiz.

Jetzt kann es ja nicht mehr lange dauern, dachte ich mir, die Unterlagen ordnungsgemäß beigelegt, die Verzollung sollte kein Problem sein und wie lange kann das schon dauern? Lange, wie ich jetzt weiß. Am Montag, Dienstag und Mittwoch hatte ich zunehmend die Zöllner in Verdacht, die sich vielleicht mit meinem Schätzchen und Solitär vergnügen in der faden Sommerzeit, oder gar WoW spielen. Eine am selben Tag ergangene Büchersendung erreichte mich am Montag, auch das später als erwartet, und nicht zu meiner Beruhigung beitragend.

Heute nun hatte das Paket Tracking endlich Neuigkeiten für mich: nach nur fünf Werk(!)tagen ist die Sendung im Zielland eingetroffen. Im Zielland. Als wäre die Schweiz am Ende des Planeten, gleich neben Mosambik oder Nepal, oder so. Die Zöllner jedenfalls sind nachweislich nicht schuld, das Schweizer Tracking nämlich ist noch schlauer als das Deutsche und weiß, daß die Verzollung am heutigen Tag von 14h46 bis 15h27 dauerte. Nix WoW oder Solitär.

Ich frage mich allerdings: was zum Teufel haben die Idioten von DHL zwischendurch gemacht? Mit dem Fahrrad das Päckchen von Speyer nach Basel spediert? Per Flaschenpost den Rhein raufgeschickt und vergessen, daß der abwärts fließt? Ich gestehe: ich begreife es nicht. Jetzt bin ich wirklich neugierig, ob wir für die Strecke von Basel zu mir genauso lange brauchen, oder es vielleicht doch noch vorm Wochenende schaffen – Samstags wird hier nämlich keine Post zugestellt.
Ich hatte damals - damals nämlich, beim Kauf, vor gefühlten Ewigkeiten - ernsthaft überlegt, das Päckchen an Bekannte jenseits der Grenze schicken zu lassen oder postlagernd an die Filiale und dort persönlich hinzufahren – das wäre sooooo viel schneller gewesen. Und billiger. Schien aber irgendwie - im Vorhinein - unmäßig aufwendig. Nun gut, jetzt ich habe meine Lektion gelernt.

[Update: Das Päckchen benötigte exakt 18 Stunden für die läppische Entfernung von Basel nach Zürich (Fahrtzeit Bahn: 1h). Dort wird gerade sortiert, seit 8h morgens. Das Wort Schneckenpost bekommt eine ganz neue Bedeutung. Ich bin inzwischen offen für Verschwörungstheorien: die CIA? Der KGB? Aliens? Eine höhere Macht verhindert mein Unterfangen, ganz klar.]

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Donnerstag, 22. Juli 2010
Kongo in der Schweiz
Die Schweiz hat mir heute ein Stück Kongo geschenkt. Um halb fünf mußte ich unfreiwillig die Arbeit abbrechen, denn abgebrochen war auch der Bügel meiner Brille und von schiefen Gläsern bekomme ich Kopfschmerzen. Bei Fielm*nn, dem Optiker meines Vertrauens seit Jahren, stellte sich heraus, daß dies noch ein Garantiefall sei, man das Modell noch immer auf Lager habe und in zehn Minuten reparieren könne.
Halbblind tastete ich mich in der Zwischenzeit durch die Läden der näheren Umgebung, um die Zeit zu vertreiben, blind window shopping, gewissermaßen, und schon auf dem Rückweg zum Optiker fielen die ersten schweren Tropfen. Während die Brille angepasst wurde, nahm der Regen zu, während ich noch den Brillenpass in Hoffnung auf bessere Umstände ausdrucken ließ, nahm er weiter zu und dann hatte ich wirklich keinen Grund mehr, länger zu verweilen. Und auch keine Lust.

Sintflutartig stürzte das Wasser vom Himmel, wurde vom Wind in Böen durch die schmalen Gassen gepresst, zentimeterhoch stand es auf den Wegen. Tapfer presste ich meine Tasche an den Körper, drehte den Schirm in den Wind und trabte los. Nach wenigen Häusern wechselte ich die Straßenseite, fünf Meter quer rüber und unter dem nächsten Dachvorsprung angekommen stand das Wasser in meinen Schuhen. Die Füße rutschten weg vor Nässe und so zog ich sie aus und spazierte barfuß weiter.

Bei Einmündungen von abschüssigen Querstrassen umspülte es meine Füße, an der Ampel im Rinnstein stand es knöchelhoch, und ich lachte und freute mich. An dem Gefühl der Fluten um die Füsse, dem klitschnassen, an den Beinen klebenden Rock, den schutzsuchenden Passanten rechts und links und den Naturgewalten rund um mich herum.

Freute mich, spazierte barfuß mitten durch die Gasse, tanzte über vorbeitreibende Blätter und Zigarettenkippen hinweg; lachte vor Vergnügen und flirtete mit dem Dönerbudenbesitzer, der mich mit seiner Einladung vor dem Wasser retten wollte. So einen grandiosen Regen habe ich seit Kinshasa nicht mehr erlebt und jede Minute und jeden Tropfen davon genossen. Zutiefst.

[Edit: Ich glaub's nicht. Premier Gaou, eines meiner Lieblingslieder im Kongo im Radio. Heute meint es jemand gut mit mir. Bitte hören! Seufz.]

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Donnerstag, 22. Juli 2010
Hausgäste
Manche sagen, ich habe ein gutes Herz. Jener ausländischen Kollegin zum Beispiel, die vor kurzem zu ihrem Freund ins Umland gezogen ist, habe ich schon beim ersten Kaffee angeboten, sie könne natürlich gerne, bei Bedarf, gelegentlich, bei mir übernachten, auch wenn meine Wohnung so klein ist, daß man mit einer Luftmatratze auf dem Fußboden nur noch Pferdchenspringen spielen kann.

Ich konnte ja nicht ahnen, daß sie dieses Angebot noch vor dem dritten Kaffee in Anspruch nehmen würde. Hat sie aber. Streit mit dem Freund, der setzte sie vor die Tür und so bekam ich am Montag eine e-Mail, in der sie um Obdach bat. Auf unbegrenzte Zeit, bis sie eine eigene Wohnung hier gefunden hätte. Nun würde ich nieniemals Menschen in Not meine Hilfe verwehren, erst recht keiner jungen Frau im fremden Land, reichlich allein (wie ich meinte) und in Not war sie zweifelsfrei, also bekam ich Überraschungsbesuch. Kaufte auf dem Heimweg noch Wein, Abendbrot und Schokolade, räumte ein bißchen auf und harrte der Dinge, die da kämen.

Zuerst allerdings wollte die Gute noch eine Freundin zum Abendessen treffen. Und andere Freunde, auf ein Bier. Um elf Uhr abends dann holten wir ihren Koffer, der die frei Fläche meiner kleinen vier Wände um einen weiteren Quadratmeter dezimierte. Den Wein haben wir dann trotzdem noch angefangen, zum Trost.

Am zweiten Tag dann brachte sie was zum Abendessen mit und auch ein ganz apartes Bier aus ihrer wilden Heimat, wir plauschten, wir surften, wir hörten Musik, sie zeigte mir Fotos. Das war allerdings, nachdem ich schon vormittags eine Möglichkeit für sie gefunden hatte, die leerstehende Wohnung einer Freundin zu übernehmen, für unbegrenzte Zeit, und ich muß zugeben: mein großes Herz wurde etwas kleiner, nachdem sie dieses Angebot so gar nicht zu interessieren schien.

Heute nun kann ich berichten, schrumpfte mein angeblich großes Herz auf Kieselsteingröße. Während ich nämlich morgens Kaffe koche und Obst fürs Frühstück schnippele, macht Madame sich schön. Während ich nachts fast ersticke, verwahrt sie sich gegen offene Fenster. Und während ich heute hungrig die Zeit bis zu ihrer für halb neun angekündigten Ankunft vertrieb, erhielt ich um neun eine Nachricht, sie käme in einer Stunde. Nun ist es elf, und ich sitze hier immer noch, mit meiner Erdbeer-Bowle. Weil ich ihr eine Freude machen wollte, weil ich Gäste wie Gäste behandele, weil ich eine dumme Gans bin.

Sollten Sie mal in die Schweiz kommen, suchen Sie doch das Hotel Damenwahl auf.

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Sonntag, 4. Juli 2010
Sommer, wie er sein soll
Ich habe dieses Wochenende meinen frisch gefundenen Nationalpatriotismus zu Hause gelassen und habe - Überraschung! - kein Fußball geguckt. Sondern ein bißchen gearbeitet und gelernt, Zahlen gedreht und gewendet, Probleme nicht gelöst sondern umschifft, und ansonsten den Sommer genossen.

Ich war heute morgen auf dem Markt, wo es viele feine Köstlichkeitn gab, Nudeln und Käse, Marmelade und frisches Brot, bin durch die Stadt gebummelt und habe Schaufenster geguckt. Dann, als alle anderen Fusi gucken waren, haben wir uns auf die Räder geschwungen und sind zum See gefahren.

Der Splitt auf den Wegen knirscht unter den Reifen, die Gabel knarrt gelegentlich, der Sattel tut meinem Hintern weh, die Sonne brennt auf den Rücken, und wenn man unter Bäumen passiert, flirrt das Licht auf den Wegen. Manchmal duftet die Luft nach Heu und gelegentlich auch nach Kamille und erinnert mich an meine nördliche Heimat, an Kindheit, Spaziergänge, Ausritte, Wanderungen und Radtouren querfeldein. Es sind kaum andere Radler, geschweige denn Fußgänger unterwegs. Am See weite grüne Flächen, fast alle unbesetzt. Hier einige ältere Damen in scheußlich gemusterten Badeanzügen, dort zwei Mädels mit Coladose und etwas weiter ein einsamer Nerd in seinem Campingstuhl. Die erste Nische, die wir anpeilen, riecht intensiv nach der Mülltonne um die Ecke, die zweite hat einen versteckten Makel: Pferdebremsen. Das merken wir aber erst, nachdem wir eine halbe Stunde im Wasser geplanscht haben. Ich schwimme Kreise um meinen Helden, der lautstark die Wassertemperaturen beklagt, (22 Grad, allerhöchstens - also ungefähr so wie im Nordmeer vor Finnland), während ich nicht genug mit den Beinen zappeln kann, um die kalten Wasserschichten unter mir aufzuwirbeln, die dann hochtreiben und den Körper streifen. Einmal nehme ich Anlauf, halte die Nase zu, strecke den einen Arm aus und versuche, mit den Füßen den Grund zu berühren, aber ich bin schon zu weit draußen und nach einem Meter wird es wirklich kalt da unten, so daß ich prustend und lachend wieder auftauche.

Seinen Ruf als echter Mann rettet der Begleiter später, als er die Jagd auf Pferdebremsen in Angriff nimmt. Gerne würde ich mich zum Trocknen in der Sonne ausstrecken, die Libellen im Gebüsch an meiner Seite beobachten und mich am blauen Himmel erfreuen, aber dauernd surrt es um meine Nase, krabbelt es an den Beinen. Anfangs verfolgt er das flirrende, schwarze Untier mit den Augen, wie es um mich herumschwirrt, und ich befürchte, mich dem Jäger und Sammler als Köder zur Verfügung stellen zu müssen, aber dann nimmt er doch seinen eigenen Arm als Grundlage, um das Biest zu plätten. Und rächt mich heldenhaft. Bleibt als Genugtuung, daß mein Blut der Bremse Henkersmahlzeit war. Jucken tut es naütrlich trotzdem.

Nebenan spielen zwei Kinder, vermutlich Geschwister, im Wasser, treiben jeder in ihrem eigenen Gummiboot herum, paddeln ein bißchen und sind völlig selbstversunken ins Spiel. Kommentieren imaginäre Wettfahrten und wilde Kämpfe, lachen und freuen sich am Spaß im Wasser. Von wo wir sitzen kann man sie nur hören, nicht sehen, aber ich kann mir vorstellen, wie sie spielen und beneide sie um diese Unbeschwertheit und den Spaß, den sie gemeinsam haben.

Auf dem Rückweg sind wir platt, irgendwann hören wir die Hupen und ahnen: wir sind Halbfinale, aber ganz ehrlich: das Spiel gegen Ghana gestern hat mich mehr interessiert, denen hätte ich nämlich das Halbfinale so richtig gewünscht. Draußen hängt immer noch drückende Hitze, manchmal weht ein Windhauch den Sommerduft durchs Fenster und ich wundere mich: ich hatte in zwei Jahren Abwesenheit fast vergessen, wie schön Sommer in Europa sein kann.

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Dienstag, 29. Juni 2010
Schlaaaaand in der Schwyz
Die Schweizer haben genau einmal gefeiert, und seither sind sie bei den Deutschland Spielen immer für die anderen. Da müssen sich die Deutschen in der Diaspora hier natürlich zusammentun, beim einzig nennenswerten Public Viewing kam offenbar ein entfernter deutscher Kollege beinahe zu Schaden, weil er nicht für Serbien jubelte, aber besonders an Sonntagen ist das Zusammentun in der Öffentlichkeit nicht leicht und die Auswahl begrenzt: alles zu. Kneipen, Restaurants, Cafés, fast alle geschlossen. Sogar Starbucks.
Gefühlte Sünde angesichts des schönen Wetters, aber ein alter Kinosaal mit Großleinwand und einer kleinen Bar tut es auch, und da saßen am Sonntag ungefähr 40 Deutschland-Fans, 4 England Fans und ich in friedlichem Beeinander.
Ich bin wirklich kein Fußball-Fan, 2006 war ich im Ausland, 2008 für die EM wäre ich es auch gewesen, hätte mich nicht der Arbeitsvertrag an Frankfurt gekettet, ich hasse drängelnde Menschenmassen, war noch nie bei einem Public Viewing und habe auch keinerlei Absicht, diesem Mangel abzuhelfen. Bei unserem internen Tippspiel liege ich wundersamerweise immer noch im guten Mittelfeld, aber das ist nur Glück, ich tippe wahllos zwischen eins und fünf Tore mit Sympathiebonus für Entwicklungsländer – eine Strategie sieht anders aus.

Normalerweise würde ich also alles lieber tun, als Fusi gucken gehen, aber am Sonntag war ich schon froh und dankbar, in diesem verschlafenen Nest überhaupt irgendwas machen zu können, also Fußball. Und dann war das tatsächlich spannend – so richtig. Beim ersten Tor sprangen alle auf, die zwei Vuvuzelas im Raum tröteten, und ich kam mir etwas sonderbar vor, wie ich so leicht amüsiert und distanziert auf meinem Stuhl sitzen blieb. Beim zweiten Tor mußte ich schon lachen, beim dritten ertappte ich mich bei einem schüchternen „Jaa!“ und beim vierten grölte ich laut mit. Ich schnappte erleichtert nach Luft nach erfolglosen Torversuchen der Engländer und verzog das Gesicht bei mißglückten Torchancen der unsrigen und fieberte nach dem beinahe 2:2 dem nächsten deutschen Tor entgegen.

So bin ich sonst nie. Das muß der Gruppendruck gewesen sein.

Jedenfalls, die Freude war am Ende natürlich groß, aber wer mit einem veritablen Autokorso gerechnet hatte, der wurde enttäuscht. Gerechnet hatte jedenfalls die Polizei, offenbar mit Horden widerspenstiger deutscher Hooligans. An allen großen Kreuzungen der Innenstadt standen Polizeiwagen, angesichts der völlig leeren Straßen irgendwie rührend, jedenfalls völlig überflüssig für die fünf Autos mit deutscher Beflaggung, die hupend und einzeln (!) nach dem Spiel nach Hause fuhren.

Und während unsere Gruppe das weitere Programm diskutierte – also die drei möglichen Orte, an denen man an einem Sonntag noch ein Bier würde trinken können – beobachtete ich die Polizeistreife am Marktplatz. Polizist 1 kramte im Kofferraum nach dem Verbandskasten, schnitt ordentlich ein Pflaster ab, verarztete Polizist 2 (!), das alles, während Polizist 3 (Schäferhund) friedlich zusammengerollt in seinem Käfig im Kofferraum ein Nickerchen hielt.

So ist das mit den deutschen Hooligans in der Schweiz.

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Montag, 21. Juni 2010
Elitessenwatch
Heute Unmengen riesiger Stellwände mit Matrikelnummer und Prüfungseinteilungen gesehen, für all die armen Elitessen und hauptberuflichen Söhne, die hier zur zukünftigen Wirtschaftselite ausgebildet werden. Die Doktoranden klagen über zeitraubende Aufsichten und sind der Meinung, daß schleunigst Multiple-Choice-Prüfungen besonders in Mathefächern eingeführt werden sollten, damit man nicht mehr stundenlang nach Folgefehlern durch falsch angewendete Punkt-vor-Strich-Regeln suchen muß.
Im Supermarkt vor mir: zwei Elitessen beim Einkauf. Nun gebe ich durchaus zu, daß es auch in meinem Leben Zeiten gab, wo ich mich innerhalb einer Woche durch das komplette Fertigpizzen-Programm der Fa. Oetker durchgearbeitet habe, allenfalls unterbrochen von Miracoli-Nudeln (mit Frischkäse! für die extravagante Note). Beschämt gestehe ich weiterhin, daß meine liebste Lernfreundin Cha und ich uns in der härtesten aller Klausurenphasen zwei Wochen lang praktisch nur von zwei Tafeln Milka Joghurt Schokolade, zwei Dosen Red Bull und zwei Schachteln Kippen pro Abend ernährt haben. Am Wochenende gab es dann Kaiserschmarrn aus der Tüte, im Bett, und schöne Männer im Fernsehen.

Jetzt aber bin ich älter, weiser und sorge mich um Figur und Falten ernährungsbewußter und kaufte daher Bananen fürs Müsli, Frühlingszwiebeln, frisches Brot, Mozarella und ein ordentliche Flasche Wein. Den Schokoladenvorrat für drei Wochen habe ich beim letzten Deutschlandurlaub kalorienverbrennend heimimportiert, den unterschlagen wir hier aber der guten Wirkung halber.. So kann ich jetzt also von der Höhe meiner ausgewogenen und gesunden Ernährung herab berichten: die Jugend heutzutage, sehr ungesund! Die beiden Elitessen osteuropäischer Provenienz (davon gibt es hier einige) teilten sich auf zwei Kassen auf, und während die vor mir Stehende nach Kleingeld suchte, konnte ich feststellen: aufs feinste gewandet. Graue Leggings, eine sichtlich teure, schick geschnittene Strickjacke, Gummistiefel in Lackoptik mit Schnalle und Leoprint-Fellschaft. Das Portemonnaie von Gucci, die Handtasche sicher auch nicht günstig, nebenan Luis Vuitton am Arm, lange, perfekt geschnittene Haare, schmal gezupfte Augenbrauen, und als sie das Ärmchen hob, blendete mich ein Gefunkel sondergleichen.

Auf dem Kassenband: zwei Flaschen Evian, eine Packung Weintrauben (so weit, so gut), dann aber:
eine Packung Kinder Choco Fresh (Schoko Nilpferde mit Milchcreme Füllung),
eine Packung Mikado (Knabberstangen mit Schoko dran),
eine Wochenpackung Schokocroissants,
eine Familienpackung Schokokekse,
eine grosse Tüte Weingummi,
eine Dose Ovomaltine,

und ein Dreierpack Pfefferminzkaugummis. Die sind für vermutlich für danach, wenn dem Porzellanpapst gehuldigt wurde. Fast können sie mir leid tun, die Damen und in jedem Fall beneide ich sie nicht um diesen Lebenswandel.

Ich hingegen mache gleich Tomaten mit Mozzarella, Olivenöl aus Italien, und schaue, ob ich nicht im Internet auch ein paar schicke Gummistiefelchen finde. Da zumindest sind sie auf der Höhe der Zeit, die Elitessen, bei diesem Schietwetter.

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Samstag, 19. Juni 2010
Regentag
Der Höhepunkt der Woche, buchstäblich ins Wasser gefallen. Raften gehen wollten wir, Wasser von unten sowieso, Wasser von oben auch reichlich nach aktueller Wetterlage, konnte uns aber nicht schrecken.

Während wir noch darüber lachten, daß wir zum Veranstaltungsort auch beinahe mit Boot hätten anreisen können, angesichts der Fluten auf den Strassen, rief der Veranstalter an - und sagte ab.

Zuviel Wasser, Hochwasser nämlich. Einen Trostkaffee im Café Tagblatt später jetzt wieder zu Hause, und es regnet immer noch. Der Atlantik ist vermutlich langsam leer, oder mindestens die Nordsee, denn das Wasser ist jetzt alles hier. Und tropft ohrenbetäubend laut aus der verstopften Abflußrinne meinem Fenster gegenüber auf den Schutthaufen darunter. An guten Tagen finde ich das Geräusch gemütlich, heute nur deprimierend.

Bleiben für heute: Kette rauchen, Martini trinken, Hausaufgaben aufschieben, Blogs lesen und schlafen. Am besten gleich bis Montag Morgen.

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Dienstag, 15. Juni 2010
Modisch mutig
Es ist ein äußerst unglückliches Zusammentreffen, daß ich in meinem Leben entweder keine Lust zum Einkaufen hatte, oder kein Geld. Im Moment ist eine Kein-Geld-Phase. Die Keine-Lust-Phase ist schon eine Weile her. Als ich noch in gläsernen Bürotürmen arbeitete, war der Anzug Pflicht. Fünf Tage die Woche, selbst wenn der Kunde Casual Friday hatte, war es uns Beraterpüppchen verboten, casual zu sein. Natürlich hat man manchmal mit sich gerungen, wohlwissend, daß man am Freitag der einzige mit Jackett sein würde, aber Pflicht ist Pflicht. Ich erinnere mich noch an einen Tag, als ich morgens vorm Kleiderschrank besonders in Versuchung war, und im Büro miterleben durfte, wie ein Kundenmitarbeiter in überaus sportlichen Turnschuhen von seiner Chefin eine veritable Abreibung bekam – während ich ausnahmsweise dankbar für meine Uniform war.

Immerhin war es sparsam, außer Kostüme und Anzüge, Blusen, bürofeine Strickoberteile und Pumps gab es nichts zu kaufen, auch wenn solche Käufe mir nie großen Spaß gemacht haben. Die Auswahlmöglichkeiten sind beschränkt, uni oder mit Nadelstreifen, ein oder zwei Taschen auf dem Jackett, mehr geht nicht. Wenig lustvoll, solche Käufe. Was hätte ich andererseits anfangen sollen mit jenem todschicken, beigen Jeans-Blazer, mit pinkfarbener Rosette auf der Außentasche und Futter mit englischen Jagdszenen? Was mit den roten Lackslippern? Der Barbour-Jacke mit Pelzkragen? Abendliche Verabredungen, wenn sie überhaupt eingehalten werden konnten, trat ich unmittelbar nach Büroschluß an. Natürlich gab es After-Work-Parties, wo mich die engen Leder-Shorts der anwesenden Damen nachdenklich machten, welcher Arbeitgeber hinter einem solchen Outfit stecken mag, meiner jedenfalls sanktionierte keine tiefdekolletierten Spitzenoberteile. Vielleicht waren die natürlich auch bei Arbeitgebern, wo der Arbeitstag vor zwanzig Uhr endet, so daß Zeit für einen Abstecher zum heimischen Kleiderschrank blieb. Hoffe ich mal.

Samstage vergingen damit, Hosenanzüge in die Reinigung, zertretene Pumps zum Schuster und meine Wohnung auf Vordermann zu bringen, für die anderthalb Tage Wochenende reichte der Bestand an Jeans, Shirts und flachen Schuhen völlig aus, kein Bedarf an Neuanschaffungen. Es gibt Tätigkeiten, die wenig Raum für Individualität lassen, Mitarbeiter sind kleine Kostenstellen in einer großen Maschinerie, Kanonenfutter für die Wirtschaft, aber - bitteschön! - keine Persönlichkeiten. Gerüchte sagen, daß bei der Konkurrenz sogar die Hemdenfarbe auf weiß und hellblau (plus rosa für die Quotendamen) durch internen Kodex beschränkt sind. Gewagte Akzente konnte man allenfalls durch bunte Halstücher und Gürtel setzen. Möglicherweise ist das Beraterinnenhalstuch weniger Klischee der höheren Tochter, als ein verzweifelter Versuch modischer Abgrenzung, quasi ein zumeist ungehörter Aufschrei aus der uniformen Masse? Ein kleiner, teuer bezahlter Triumph war jedenfalls mein seidenes Halstuch in pink, grün und schwarz mit Totenköpfen drauf, die nur jeder zehnte Kollege unter verblüfftem Staunen wahrnahm. In preußisch-protestantischer Sparsamkeit habe ich nie Sinn darin gesehen, Geld für Kleiderschrankleichen auszugeben, die ich nur einmal im Jahr würde tragen können, also war ich sehr, sehr sparsam in jener Zeit.

Zu diesem Leben gehörte es, keine Turnschuhe zu besitzen und keine Verwendung für normale Strümpfe zu haben. Ohnehin stehe ich auf dem Standpunkt, daß Turnschuhe Turnschuhe heißen, weil sie zum Turnen da sind, also für sportliche Aktivitäten. Den Einkaufsbummel in der Frankfurter Innenstadt habe ich nie dazugezählt, für sowas hat die Elitesse von Welt flache Lederschuhe, und so brauchte ich weder Turnschuhe noch richtige Socken. Während der vielbeschäftigte Investmentbanker seine Socken gerüchteweise im Internet per Mail-Order bestellt, bekommt das geschäftige Bürohäschen Feinstrumpfhosen und dünne Söckchen selbst nach Ladenschluß im Supermarkt, und weitere Bedürfnisse hatte ich nicht.

Jetzt bin ich wieder in einer Kein-Geld-Phase, habe aber außerordentlich große Bedürfnisse. All die schönen Dinge, die ich in den letzten Jahren nicht gekauft habe – jetzt könnte ich sie tragen. In meinem neuen Büro gelt ich im schwarzen Rock mit Mokassins und T-Shirt schon als overdressed unter Turnschuh-und-Jeans-Trägern, andererseits gibt es um mich herum genug Elitessen in Prada und Gucci, um nicht allzu negativ aufzufallen – ich könnte mich also grenzenlos austoben. Nur muß ich jetzt mit meinem Budget haushalten. Die qualitätsbewußte Hausfrau kauft natürlich gerade unter finanziell eingeschränkten Bedingungen keinen Billigschund, und wenn sich ein außerordentliches Schnäppchen bietet, muß man zuschlagen. Auch wenn man eigentlich nur Kaffeefilter besorgen wollte und ganz versehentlich durch die Abteilung für Beinbekleidung stolperte.

Da kann es passieren, 60 Franken für allerlei hochwertige Strümpfe und Socken solider Provenienz ausgeben, immerhin alle um die Hälfte reduziert. Selbstverständlich nur ein vorausschauender, höchst sinnvoller Hamsterkauf. Vernünftig, geradezu. Und ein Schritt in die un-uniformierte Individualität. Zum Beispiel so:



Völlig undenkbar, zu schwarzen Pumps und grauer Hose. Wunderbar zur Jeans.

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Freitag, 11. Juni 2010
Fusi
Ich bin jetzt in einer Tippgemeinschaft. Und habe natürlich in meiner Planlosigkeit schon das erste Spiel verpasst, wajakla. Ich hatte wichtigeres zu tun, Velo fahren, Seeschwimmen, Sonnen.
Trotzdem verspreche ich, das jetzt ernst zu nehmen, in Zukunft nicht mehr nach Sympathie zu tippen, und mich zeitnah zu informieren. Echt.
Wenn ich niemandem mehr als fünf Tore zugeteilt habe, ist das realistisch?

Egal. Waka Waka.

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