Freitag, 1. Mai 2009
Zeitsprung
Vor genau zwölf Jahren, am 1. Mai 1997, saß ich ebenfalls in einer Maschine von Washington Dulles Airport nach Düsseldorf. Manchmal schaue ich ungläubig zurück und kann kaum fassen, daß das mein Leben ist. Oder zunehmend gewesen sein soll.
Ich hatte damals viermal so viel Gepäck dabei wie heute und doppelt so viel wie bei der Einreise, vor allem aber war ich erfüllt von dem Bewußtsein, weiter gereist zu sein als irgendein anderes Mitglied meiner Familie und hatte unbändige Sehnsucht nach zu Hause. Ich bin fast geplatzt vor Wiedersehensfreude – nur um viel zu schnell festzustellen, daß die Heimat mir fremd geworden war in dem Jahr. Ich habe in den Staaten mein erstes Date erlebt, meine erste verzweifelte Selbstmorddrohung, die erste Erschütterung meines Weltbilds. Großzügige Gastfreundschaft gefunden an unerwarteter Stelle ebenso wie Kleinlichkeit und Abgründe. Mit nach Hause genommen habe ich einen Schatz an Erfahrungen und vage Vorstellungen von einer irgendwie aufregenden und großartigen Zukunft (die sich so nie einstellte). Grossartig wurde es nicht, dafür aber anstrengend, manchmal aufregend, immer jedoch abwechslungsreich. Ich war so unendlich viel jünger und naiver, hatte noch keine grauen Haare aber dafür große Pläne, die sämtlich enttäuscht wurden. Was ich bekommen habe, wenn ich zurückschaue, ist nicht das, was ich mir erträumt habe, aber es ist nicht schlecht.
Rückblicke machen mich immer melancholisch, aber ich will nicht undankbar sein sondern mich an dem freuen, was ich habe, statt den Misserfolgen nachzujammern. und das schöne am Älterwerden ist die Zuversicht und Erfahrung, daß alles Ungemach sich auch wieder einrenken wird.

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Donnerstag, 30. April 2009
Schicksal
Das Schicksal wählt komische Wege - und bürdet mir eine schwere Entscheidung auf. Viermal habe ich mich auf eine durchaus interessante Position beworben, drei mal abgelehnt worden - heute Einladung zum Auswahlverfahren. Das mitten in meine Brasilien Reise fällt. Der Flug: nonrefundable, nonchangeable. Flüge zwischendurch zurück: sündhaft teuer. Gleichzeitig habe ich aber den Verdacht, nicht die Kandidatin der ersten Wahl zu sein, und ganz ehrlich: für mich wäre das auch nicht der Job der ersten Wahl, wenn eine der anderen Optionen klappt. Mein Chef hat heute gesagt, daß er sich für mich einsetzen würde, wenn eine befristete Stelle hier frei würde, das wäre eindeutig die attraktivere Option. Das ist doch wirklich, wirklich Mist! Ich habe genau 24 Stunden, mich zu entscheiden, dann sitze ich entweder im Flugzeug nach Brasilien oder zu Hause bei meinen Eltern und bereite mich auf das Gespräch vor. Noch eine Nacht mit weniger als fünf Stunden Schlaf, damit ich morgen vor der Arbeit telefonieren kann. Ich werde aussehen wie ein Gespenst, wenn ich hier abreise... .

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Mittwoch, 29. April 2009
Gut durch...
Ich hätte soviel zu sagen zu allen möglichen Themen, aber es fehlt an Zeit, meine Gedanken in Ruhe zu formulieren.

Bis halb sieben gearbeitet, mit Chef über Referenzen gesprochen, einige Paragraphen als Vorschlag entworfen, Referat für Brasilien nicht vorbereitet, Layout Probleme für Paper nicht gelöst. Fehlgeleitetes Paket mit Sprachlernbuch Nummer zwei nicht umleiten können - muß vermutlich morgen mal im Buchladen um die Ecke schauen und im Zweifel dort das Doppelte bezahlen, das immer noch halb soviel wie in Deutschland wäre.

Danach Abschiedsgeschenke für meine liebe Mitbewohnerin/Vermieterin und Klein-B. (*we take you to the airport, on friday*) besorgt, Abschiedsessen mit A., gebügelt und Wäsche sortiert (warum muß ich meinen gesamten Kleidervorrat ausgerechnet in der Woche bügeln, in der DC ohnehin ein Backofen ist?), Statement of Intent für Uni-Bewerbung entworfen, Zeugnisse rausgesucht und festgestellt, daß ich die Dateien morgen in Ruhe sortieren muß. Jetzt ist es zwanzig Minuten nach zwölf, ich würde gerne noch einmal zum Sport gehen bevor ich 48 Stunden auf Reisen gehe, aber bitte: WANN? Ich bin heute morgen schon nicht hochgekommen, die Übermüdungs-erscheinungen sieht man mir langsam an. Ich sehe für morgen keine Besserung, halte mich aber an dem Gedanken fest, daß ich Freitag bis Sonntag im Flugzeug ganz viel schlafen kann. Ich muß nur vorher alles fertig bekommen. Irgendwie.

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Montag, 27. April 2009
Ein Klotz weniger am Bein
Ich weiss nicht, soll ich mich freuen oder ärgern? Der GRE liegt hinter mir, immerhin etwas. Heute morgen um halb neun trat ich im Testcenter an zusammen mit etlichen anderen Kandidaten für diverse Tests. Identifizierung mit Reisepass, Papierkram unterschreiben, Regeln lesen und zustimmen, Habseligkeiten im Schliessfach einschliessen. Alles hochoffiziell und pedantisch, dann wird noch ein Foto gemacht, man erhält einige Bögen Schmierpapier und Bleistifte und nimmt seinen Platz im Prüfungsraum ein, zwischen den anderen armen Schweinchen an ihren Rechnern. Nach zwei Stunden Aufsatzschreiben bekommt man zehn Minuten Pause, dann noch mal zwei Stunden, inklusive eines Testteils, in dem der Veranstalter neue Methoden ausprobiert (da habe ich zugegebenermassen geschlampert, weil ich fertig werden wollte). Nach vier Stunden blinkt dann das Ergebnis auf dem Bildschirm für die beiden Multiple Choice Teile. Ich muss zugeben, ich war so auf den Matheteil konzentriert, dass ich den Englisch-Score gar nicht zur Kenntnis genommen habe, macht aber nix, ist eh irrelevant für mein Unterfangen. Und in drei Wochen bekomme ich das Ergebnis per Post offiziell bestätigt, inklusive der gleichermassen irrelevanten Aufsatzscores, die irgendwelche Teaching Assistants an irgendwelchen Provinzunis benoten werden.
Da habe ich es also geschafft, meinen Quant Score deutlich zu verbessern (und einen Rumpelstilzchen Tanz im Testcenter aufgeführt), nur um dann festzustellen, dass leider alle anderen Testteilnehmer auch besser geworden sind und ich mich relativ gesehen nur minimal verbessert habe. Das ist doch wirklich ungerecht, ganz umsonst gefreut… . Irgendwie scheint es da eine magische Schallmauer bei der eigentlich wünschenswerten Punktzahl zu geben, die ich einfach nicht durchbrechen kann.
Ist aber ohnehin nicht mehr zu ändern, mit dem Score muss ich mich jetzt bewerben und vielleicht haben die Damen im Zulassungsbüro der Uni ja noch nicht mitbekommen, dass die relativen Scores angepasst wurden *das nennt man Wunschdenken*
Draussen ist immer noch Backofen Hitze. Einziger Lichtblick neben ein bisschen virtuellem Mitleid: gestern Nachmittag kam der kleine B. angewackelt auf seinen kurzen Beinchen und sagt: "I don't want you to leave, you please stay". Hach, da geht mir das Herz auf!

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Mitleid
Weltschmerztag. Ich habe heute wirklich nichts Nettes zu sagen. Freunde sind allemiteinander treulos und unzuverlässig, mein zukünftiger Arbeitgeber verplant, Männer sind sowieso an diesen Tagen alle doof, meine Familie ruft nie an. Mein gesamtes Umfeld läßt es an Manieren fehlen, Mitbewohner B. bräuchte mehr Erziehung und überhaupt ist alles nicht schön. Mein Eiskaffee heute nachmittag schmeckte nicht, mein Konto ist zu leer, mein Buch zu Ende, Internet-TV funktioniert nicht. Außerdem ist das Wetter zu heiß, ganz ehrlich, wer will schon 30 Grad im Schatten und brennende Sonne haben, wenn er morgen wieder ins Büro muß?
Ich glaube, ich sage jetzt gar nix mehr, weil ich heute wirklich nur schimpfen und meckern kann.
Mitleid, gebt mir Mitleid, das ist das einzige, was meine Stimmung hebt. Und solange kein anderer mich bemitleidet, tue ich mir selbst leid.

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Samstag, 25. April 2009
Wiedersehen mit alten Freunden
Ich habe das Gefühl, mir rennt die Zeit davon. Mein Paper soll möglichst weitgehend fertig sein bis nächsten Freitag, ich lerne brav dämliche Rechenaufgaben und packe in Gedanken meinen Koffer. Zuviele Sachen, an die ich denken muß. Wenn ich morgen in einer Woche im Flugzeug nach Brasilien sitze, bin ich froh, dann muß ich erst mal zwei Wochen gar nicht mehr denken. Nur klären, wohin ich danach gehe. Bis dahin gibt es jetzt zehn Tage lange Abschied. Abschiedsdrinks mit L., Abschiedslunch mit Kollegen, Abschiedsessen mit Freunden. Und heute: Abschiedsbrunch mit A., der gleichzeitig Wiedersehensbrunch mit C. war.

Letzten Sommer saßen wir zusammen in Dahab, haben Fruchtcocktails genuckelt und die Aussicht auf Saudi Arabien in der flirrenden Sonne genossen – heute nun zu dritt in DC bei typisch amerikanischem Essen. Irgendwie nicht ganz von dieser Welt. Mit C. bin ich damals auf der Ladefläche eines Pick-up Trucks zum Strand getrampt, wir haben die Aussicht genossen, waren schnorcheln und haben komische Muschelschnecken gesammelt (die ich sentimentalerweise immer noch im Brillenetui bei mir trage). Wir haben gelacht, wenn unsere Handys sich zeitgleich ins saudi-arabische Netz eingebucht haben und haben Scherze über das Land gegenüber gemacht - so nah und doch so fern.
C. war ein ganzes Jahr in Kairo, spricht inzwischen bestimmt sehr gut Arabisch – und hat sich einen scheusslichen Bart stehen lassen. Ist der Akzeptanz unter Muslims förderlich, sagt er. Er arbeitet an der 30-30 Regel: dreißig Länder vor dem dreißigsten Geburtstag bereist zu haben. Nach ausgiebigen Reisen in Europa und Middle East, ist er nun bei fünfzehn, mit Mitte zwanzig. Da mußte ich gleich mal nachzählen, was ich in den kommenden 53 Wochen noch schaffen müßte. Dreizehn Länder (in fünfzehn war ich schon, in zwei komme ich demnächst) ist vielleicht ein bißchen sehr ambitioniert, das wird wohl nix mehr.

Wenn ich darüber nachdenke, daß ich A. innerhalb von sechs Monaten auf drei Kontinenten getroffen, und C. nach fast einem Jahr heute wiedergesehen habe, kann ich kaum fassen, daß das mein Leben ist. So aufregend, soviele Erfahrungen, interessante Menschen, unterschiedliche Kulturen. Das empfinde ich als unsagbares Privileg. Ob das die Einsamkeit, Frustrationen und lädierten Freundschaften zuhause allerdings aufwiegt, weiß ich nicht.
Letzte Woche hatte ich meinem ehemals besten Freund nach monatelangem Schweigen (wohl Nachlässigkeit von seiner Seite, Trotz von meiner) noch mal geschrieben und nun erfahren, daß er heiratet. Hätte er mir das gesagt, wenn ich mich nicht gemeldet hätte? Vermutlich nein. Ich versuche mir zu sagen, daß Freundschaften, die die Entfernung nicht aushalten, auch in der Nähe nichts Richtiges gewesen wären, aber der Kummer bleibt.

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Donnerstag, 23. April 2009
Rechentest
Ich habe heute eine positive Rückmeldung für meine Arbeit der letzten drei Monate erhalten - das höre ich natürlich gerne, und stelle mir in Gedanken schon meinen Namen auf meiner Doktorarbeit vor. Außerdem habe ich eine Sternschnuppe gesehen und mir was gewünscht (und nein, das war bestimmt kein Weltraummüll). Zwischen mir und dem PhD steht allerdings immer noch der GRE, und so beschäftige ich mich in der knappen Freizeit mit solchen Fragen:

If the average (arithmetic mean) of 5 consecutive integers is 12, what is the sum of the least and greatest of the 5 integers?

a) 24 b) 12 c) 14 d) 11 e) 18

The operation denoted by the symbol $ is defined for
all real numbers q and s as follows.
q $ s = q*s- q+ s
What is the value of (-4) $ 5?

a) 20 b) -11 c) -19 d) 19 e) -9

Macht total Sinn oder? Da weiß man ganz schnell, ob jemand das Zeug zur Dissertation hat oder nicht. Lösungen gibt's auf e-Mail Anfrage, falls ich bis dahin nicht vor Frust meine Maus kaputtgehauen habe.

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Mittwoch, 22. April 2009
Geheimtrick
Werter Leser, vielleicht kennen Sie die Werbung, in der jemand auf dem Markt einkaufen möchte und der Verkäufer am Obststand mit Roboterstimme sagt : Möchte – Sie – Bananen, – sagen – Sie – Bananen. Möchten – Sie – Äpfel... am Ende kommt sinngemäß die Ansage: „Guter Service geht anders“ + Unternehmen, das es besser macht. Ich habe seit vergangenem Freitag neues Verständnis für den gemarterten Kunden gewonnen, denn mir ging es ähnlich. Dämlicherweise hatte ich bei einer Buchbestellung im Versandhandel meine Hausnummer verdreht und dies erst abends gemerkt, als das Paket schon in den Versand gegangen war. Ich habe meine hiesige Adresse ja noch nicht so lange und jongliere seit einem halben Jahren mit vielen Adressen – fast wundere ich mich, daß mir ein solches Mißgeschick erst jetzt unterläuft.
Am fraglichen Abend stellte sich schnell heraus, daß der Versandhändler in der Angelegenheit rein gar nichts mehr unternehmen konnte oder wollte, immerhin konnte ich jedoch das Päckchen beim Paketdienst nachverfolgen. Der Versuch, den Kundendienst anzurufen, scheiterte jedoch an der absolut unflexiblen Computerstimme, die keine passende Option anbieten mochte, obwohl ich mich im Verlauf einer Stunde durch das gesamte Menü gequatscht hatte. Am nächsten Morgen habe ich in meiner Verzweiflung bei der nächsten Filiale angerufen und mich erkundigt ob der Möglichkeiten, das Paket umzuleiten: ich möge doch den Kundendienst anrufen. Und bekam auf Nachfrage das Geheimwort mitgeteilt. Das ging dann so:

„Thank you for calling XXX. Para continuar en Espanol, oprima el nueve. - What do you want to do? You can say: send a package, track a package, shipping information or order supplies.”
“Agent” (!)
“I can get you to an agent, but to get started, please say: send a package, track a package, shipping information or order supplies.”
[Hier jetzt nachzugeben wäre natürlich ein Eigentor, beharrlich verlangt der gewiefte Kunde:]
„Agent“
"I will now connect you to an agent, please hold the line".

Und siehe da: man bekommt einen Agent zu sprechen. Und der kann sogar weiterhelfen und das Päckchen umleiten – sobald der erste Belieferungsversuch gescheitert ist. Das hat tatsächlich funktioniert. Aber mal ehrlich: wer kommt bitte von alleine auf die Idee, „Agent“ zu sagen? Und das im Servicekönigreich der Vereinigten Staaten!

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Tränen gelacht!
Ich habe gerade lachen müssen, so sehr, daß mir Sturzbäche aus den Augen flossen und ich eine Woche lang das Bauchmuskel Training im Fitnesstudio lassen kann: Facebook Group: World Leaders. Uneingeschränkt empfehlens- werte Lektüre!

Ansonsten:
- erstes Sommergewitter im Büro ausgesessen
- ersten Entwurf meines Papers heute beendet
- Amazon Bestellung an richtige Adresse umgeleitet (Hausnummer verdreht weil zu oft umgezogen)
- Schwester im Examen die Daumen gedrückt
- von Finanzminister a.D. die Wange getätschelt bekommen (?!... note to myself: an damenhaftem Auftreten arbeiten)

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Montag, 20. April 2009
Mortadella
Über die "kulinarische Diaspora"*habe ich mich ja schon öfter beklagt, heute abend war ich aber bei einem Freund zu anständigem Essen eingeladen. Dieser war nämlich vor einigen Wochen in Italien und hatte den erweiterten Bekanntenkreis zur Vernichtung der Mitbringsel aufgefordert. Das Ambiente war eher studentisch-leger, aber die Mortadella, die Salami, der Parmigiano - wunderbar! Von den Kalorien, die ich verzehrt habe, könnte man wahrscheinlich die Hungersnot eines kleinen Entwicklungslandes über Wochen bekämpfen, aber wen schert das schon? Nun, vielleicht die beiden Herren auf der Parkbank, die mir auf dem Hinweg so freundlich zulächelten - und dann, kaum war ich an ihnen vorbei, kommentierten: "What a great ass..." (Bitte die Wortwahl zu entschuldigen, ich zitiere nur). Ähem. Das war so absurd, das muß hier einfach rein.

* Hat Tip, Herr Stubenzweig

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