Wiedersehen mit alten Freunden
Ich habe das Gefühl, mir rennt die Zeit davon. Mein Paper soll möglichst weitgehend fertig sein bis nächsten Freitag, ich lerne brav dämliche Rechenaufgaben und packe in Gedanken meinen Koffer. Zuviele Sachen, an die ich denken muß. Wenn ich morgen in einer Woche im Flugzeug nach Brasilien sitze, bin ich froh, dann muß ich erst mal zwei Wochen gar nicht mehr denken. Nur klären, wohin ich danach gehe. Bis dahin gibt es jetzt zehn Tage lange Abschied. Abschiedsdrinks mit L., Abschiedslunch mit Kollegen, Abschiedsessen mit Freunden. Und heute: Abschiedsbrunch mit A., der gleichzeitig Wiedersehensbrunch mit C. war.

Letzten Sommer saßen wir zusammen in Dahab, haben Fruchtcocktails genuckelt und die Aussicht auf Saudi Arabien in der flirrenden Sonne genossen – heute nun zu dritt in DC bei typisch amerikanischem Essen. Irgendwie nicht ganz von dieser Welt. Mit C. bin ich damals auf der Ladefläche eines Pick-up Trucks zum Strand getrampt, wir haben die Aussicht genossen, waren schnorcheln und haben komische Muschelschnecken gesammelt (die ich sentimentalerweise immer noch im Brillenetui bei mir trage). Wir haben gelacht, wenn unsere Handys sich zeitgleich ins saudi-arabische Netz eingebucht haben und haben Scherze über das Land gegenüber gemacht - so nah und doch so fern.
C. war ein ganzes Jahr in Kairo, spricht inzwischen bestimmt sehr gut Arabisch – und hat sich einen scheusslichen Bart stehen lassen. Ist der Akzeptanz unter Muslims förderlich, sagt er. Er arbeitet an der 30-30 Regel: dreißig Länder vor dem dreißigsten Geburtstag bereist zu haben. Nach ausgiebigen Reisen in Europa und Middle East, ist er nun bei fünfzehn, mit Mitte zwanzig. Da mußte ich gleich mal nachzählen, was ich in den kommenden 53 Wochen noch schaffen müßte. Dreizehn Länder (in fünfzehn war ich schon, in zwei komme ich demnächst) ist vielleicht ein bißchen sehr ambitioniert, das wird wohl nix mehr.

Wenn ich darüber nachdenke, daß ich A. innerhalb von sechs Monaten auf drei Kontinenten getroffen, und C. nach fast einem Jahr heute wiedergesehen habe, kann ich kaum fassen, daß das mein Leben ist. So aufregend, soviele Erfahrungen, interessante Menschen, unterschiedliche Kulturen. Das empfinde ich als unsagbares Privileg. Ob das die Einsamkeit, Frustrationen und lädierten Freundschaften zuhause allerdings aufwiegt, weiß ich nicht.
Letzte Woche hatte ich meinem ehemals besten Freund nach monatelangem Schweigen (wohl Nachlässigkeit von seiner Seite, Trotz von meiner) noch mal geschrieben und nun erfahren, daß er heiratet. Hätte er mir das gesagt, wenn ich mich nicht gemeldet hätte? Vermutlich nein. Ich versuche mir zu sagen, daß Freundschaften, die die Entfernung nicht aushalten, auch in der Nähe nichts Richtiges gewesen wären, aber der Kummer bleibt.

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jean stubenzweig, Sonntag, 26. April 2009, 12:59
Heißt das: Brasilien für längere Zeit? Oder nur kurzzeitig vorübergehend, so als Hüpfer? Aber gegen letzteres sprächen die ganzen Abschiede.

damenwahl, Sonntag, 26. April 2009, 18:28
Washington muss leider bis auf weiteres ohne mich auskommen. Brasilien ist aber nur kurz, zehn Tage Urlaub. Über das danach mag ich gar nicht nachdenken, weil sich die Planung so zieht und mein potentieller Arbeitgeber nicht in die Hufe kommt, während ich mit selbigen scharre.