Sonntag, 8. März 2009
Eltern
Ich bin völlig erstaunt, mit welcher Verve in Blogs über Kinder diskutiert wird. Gepflegte Plaudereien schlagen auch schon mal in, sagen wir, Diskussionen um, bei denen die Teilnehmer mehr als nur emotional involviert sind und die gelegentliche Philippika ist das Salz in der Suppe. Über mangelnde Meinungsvielfalt kann man da nicht klagen, über mangelnde Höflichkeit gelegentlich schon, wenn man dem Gastgeber glauben kann. Anderswo ging es sehr viel ernsthafter zu. Mit der Sichtweise eines Elternteils zu all diesen Fragen kann ich aus formalen Gründen nicht dienlich sein, aber zumindest die Tochterperspektive ist mir vertraut. Sind Kinder ihren Eltern dankbar? Ich schon. Die Einsicht ist erst einige Jahre alt, daß ich mir wahrhaftig keine besseren Eltern hätte wünschen können. Sie haben für mich auf größere Häuser, teurere Autos und schönere Kleidung verzichtet, auf lange Urlaube und einen umfangreichen Weinkeller. Meine Ausbildung und ich sind ein Porsche auf zwei Beinen, mindestens. Studienwechsel, Umzüge, Möbelkartons schleppen. Mit einem Anhänger in einer Düsseldorfer Hauptstraße rangieren, nächtens zum Frankfurter Flughafen fahren, Panikanrufe aus dem Ausland und Lehrerkonflikte - ich haben ihnen nichts erspart. Und erst mit zunehmendem Alter begriffen, worauf sie für mich verzichtet haben, welche Einschnitte klaglos in Kauf genommen, welche Verrücktheiten milde lächelnd geduldet.
„Wenn ihre Kinder es am wenigsten verdienen, brauchen sie ihre Liebe am dringendsten“
Meine Eltern haben das geschafft. Ich habe getobt, geschimpft und geschrien, ich habe habe geflucht und mein Tagebuch mit Haßtiraden vollgekleistert, mit meinen Schwestern intrigiert und mich mit ihnen geprügelt. Aber selbst in meinen schwärzesten Phasen wußte ich: auf meine Eltern kann ich mich verlassen. Sie lieben mich, ganz gleich wie verrückt ich mich gebärde. Ob erfolgreich und vorzeigbar oder orientierungs- und arbeitslos: sie lieben mich, genauso wie ich bin. Und das ist die schönste Gewißheit, die man haben kann - ein Leben lang.

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Chinatown - Cairo - German Deli
Am Donnerstag habe ich es tunlichst vermieden, ohne Jacke das Haus zu verlassen. Am Freitag Mittag hatte ich einen Termin im Gebäude gegenüber und auf dem Weg dorthin ohne Jacke gefröstelt. Der heutige Tag hingegen hätte beste Chancen, sich in Deutschland als ausgewachsener Sommertag zu qualifizieren. Ich habe gerade auf der Treppe vorm Haus gesessen, in T-Shirt und Rock. Die Primeln in den Beeten sehen traurig aus, die Bäume sind winterlich kahl, aber wenn man die Augen schließt, die Vögel krakeelen hört und einem die Sonne auf den Rücken scheint, könnte man meinen, es sei Juli. Die Washingtonienne von Welt paßt sich dem schnell an und holt die Sommerkleidchen und Flip-Flops raus – mir mangelt es da noch an Flexibilität (und ich besitze keine Flip-Flops). Da ich heute Abend zu einer Geburtstagparty eingeladen bin, habe ich mich gegen Mittag auf den Weg nach Downtown gemacht, wo man der Expat-Gerüchteküche zufolge im German Deli Mozartkugeln erwerben kann. Auf dem Weg dorthin laufe ich durch Chinatown, das sich im wesentlichen durch ein großes chinesisches Tor und etliche China-Restaurants auszeichnet. Typisch für Washington ist, daß sich das Umfeld innerhalb eines Straßenblocks radikal ändern kann. Und so wehte mir mitten in Chinatown sekundenlang der Dunst eines arabischen Souks um die Nase. Die Mischung aus sonnenwarmer Straße, von der sich durch einen Eimer Wasser all die Gerüche eines Viertels lösen, ein Hauch von Unrat, von einem Grillrestaurant nebenan eine Prise Holzkohlenrauch, dazu die Dünste aus Freßbuden und Take-Away Restaurants. Für einen Moment rechnete ich damit, um die nächste Ecke über einige einsame Ziegen zu stolpern, wie zuletzt in Kairo. Nur wenige Schritte die Straße hinunter begegnet einem dann eine Gruppe amerikanischer Touristen (mutmaßlich aus dem Mittleren Westen) und alle Zauber ist dahin.

Jedenfalls habe ich schließlich den deutschen Laden gefunden und nach einigem Überlegen eine bunte Mischung Mozartkugeln erstanden, beim indischen (!) Personal bezahlt, für mein Publikum noch dieses Foto aufgenommen und mich dann auf den Heimweg gemacht.

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