Donnerstag, 26. März 2009
Mezze und Manieren
Gestern Abend war ich mit meinem Freund A. und einem mit ihm befreundeten Pärchen essen. Gehobenes Ambiente, ein bißchen Schickeria, aber wunderbares Essen: Mezze. Auf der Speisekarte ein kurioses Untereinander von türkischem Imam Bayildi, griechischen Fetadips, libanesischem Tabbouleh, ägyptischem Baba Ghannough und marokkanischer Tagine. Dazu griechischer Weißer (gut) und libanesischer Roter (nicht so gut, sagte der Freund). A. und ich warteten an der Bar auf den Tisch, die männliche Hälfte des Pärchens traf ein, begrüßte A. – stand sicherlich dreißig, vierzig, fünfzig Sekunden neben uns – und drehte dann ganz bedächtig mir den Kopf halb zu und nuschelte etwas, das man nur mit viel gutem Willen als Begrüßung interpretieren konnte. Hand aus Hosentasche - dazu reichte es nicht. Seine Angetraute - als sie schließlich mit erheblicher Verspätung eintraf – war nur unwesentlich freundlicher.
Nun gebe ich gerne auch viel Geld für gutes Essen aus, gelegentlich auch wider meine derzeit beschränkten finanziellen Möglichkeiten. Allerdings setze ich gnadenlos Prioritäten, und gutes Essen in schlechter Gesellschaft kommt auf der Rangliste noch hinter aufheizbaren Lockenwicklern. Also habe ich den anderen zugeschaut, wie sie ihre „Chef’s Tasting“ Kombination verspeisten und mich auf zwei kleinere Mezze beschränkt. Mein Freund A., der um meine prekäre Situation weiß, lud mich mehrfach zum probieren ein, am Ende hatte ich dann das Glück, die ganzen wunderbaren Marinaden aufstippen zu können, die außer mir ohnehin niemand wollte. Großer Fehler, aber Amis sind halt manchmal Banausen erster Klasse. Die Marinaden waren nämlich wirklich sensationell, und ganz deutlich das Beste, was ich jemals in den USA gegessen habe. Meine Aneignung sämtlicher Saucenreste fand außerdem schon frühzeitg ihre Rechtfertigung, als die anderen eines meiner Mezze Schälchen verwechselten und ich nur einen klitzekleinen Eßlöffel abbekam. Und nein: ich bin kein hoffnungsloser Geizkragen und eigentlich auch kein pedantischer Aufrechner - aber ich wollte am Ende auf geteilter Rechnung bestehen, um nicht schon wieder anderer Leute Vergnügen subventionieren zu müssen. Mein an der Theke bestellter Wein war beim Kassieren scheinbar vergessen worden, den habe ich selbstverständlich brav nachgezahlt und ebenso selbstverständlich habe ich meine Beteiligung beim Aufteilen der Rechnung großzügig aufgerundet. Aber ich weigere mich, das Essensbudget für eine Woche an einem einzigen Abend auszugeben, wenn die Freude über gutes Essen konsequent durch den Ärger über bräsige Gesellschaft getrübt wird.

Nach einem ziemlich trostlosen Tischgespräch war ich zugegebenermaßen schon frühzeitig innerlich bereit für den Heimweg, als es doch noch lustig wurde: die Herren unterhielten sich über Strip Lokale in Baltimore* und mein Freund A. verkündete, wenn er strippen müßte, wäre xyz sein Lied. Welches denn mein Lied für derlei Anlässe sei? Solche Fragen bekäme ich als Dame ja eigentlich gar nicht gestellt (ich muß also noch an mir arbeiten) und beantworten werde ich sie natürlich schon mal gerade gar nicht – jedenfalls nicht in solcher Runde. Also versuchte ich mich mit dem Hinweis auf meine völlig veralteten und exklusiv auf klassische Musik beschränkten Hörvorlieben aus der Affaire zu ziehen. Worauf A. ganz trocken meinte: „That’s awesome, you could be catering to the distinguished, upscale Gentleman with that“. Aber gut, ich weiß, warum ich mit A. befreundet bin und recht regelmäßig ausgehe, das Pärchen hingegen hoffentlich nie wiedersehen werde.


*gelernt: Amusements wie Strip- und andere Lokale unterliegen Bundesstaatenrecht und da ist Virginia offenbar deutlich unterhaltsamer als zum Beispiel DC und folglich ganz klar vorzuziehen.

Permalink (1 Kommentar)   Kommentieren