Mittwoch, 18. März 2009
Einhüten für Fortgeschrittene
Ich habe in meinem Leben manchen Nebenjob gehabt. Mit fünfzehn schenkten meine Eltern zum Geburtstag einen Volkshochschulkurs im Maschineschreiben und fortan erledigte ich für meinen Vater diverse Tipparbeiten – berufen auch durch meine Fähigkeit, seine entsetzliche Handschrift entziffern zu können. Mit sechzehn saß ich im Supermarkt an der Kasse, mit achtzehn in der Fabrik am Fließband und mit neunzehn habe ich in den Osteferien Fichten gepflanzt (15.000 Stück in drei Wochen, gut für die persönliche Ökobilanz). Im Studium habe ich für eine Eventfirma auf Banketten gekellnert und mir beim Jahrestreffen eines Verbands der metallverarbeitenden Industrie auf den Hintern hauen lassen. Babysitten, jedoch, war ich nie. Mit Ausnahme eines Abendessens meiner Eltern, bei dem ich unentgeltlich die Kinder eines uns bekannten Paares gehütet habe. Auf meine alten Tage bin ich aber nun heute Abend Babysitter für meinen kleinen Mitbewohner und erhalte dabei Einblicke in die – von mir prinzipiell durchaus angestrebten – Freuden der Mutterschaft. Dazu muß man wissen, daß ich im Gegensatz zu meinen sonstigen Bekannten in DC nicht in einer Young-Professionals oder Studenten WG lebe, sondern quasi mit Familienanschluß. Der kleine B. ist zweieinhalb Jahre alt, seine Mama ist alleinerziehend und seine im Haus lebende Tante der wichtigste Knoten im Netz der Unterstützer. Nun hat die liebe Tante (die kaum älter ist als ich) allerdings heute ihren lange geplanten Urlaub angetreten, während die Mama auf einer Konferenz in Europa weilt. In meiner grenzenlosen Hilfsbereitschaft hatte ich vor einiger Zeit angeboten, bei Gelegenheit mal auf den Kleinen aufpassen zu wollen – um den beiden Damen vielleicht mal einen Abend zu zweit ohne Kind zu ermöglichen. Statt dessen bin ich nun bis morgen früh alleinverantwortlich für den kleinen Bengel. Der außerdem seit zwei Tagen Fieber hat und hustet, als hätte er Krupp. Ich konnte immerhin gerade noch rechtzeitig heute morgen den Besuch beim Kinderarzt veranlassen, leider ohne diagnostisches Ergebnis. Normalerweise hätte ich keine Chance, auch nur zwei Sätze in Ruhe schreiben zu können, weil B. so unglaublich springlebendig ist, aber statt dessen hängt er jetzt wie ein nasser Sack auf meinem Schoß und will gar nichts. Nicht spielen, nicht essen, nicht trinken, nur kuscheln. Innerlich warte ich nur auf den ersten Heulkrampf, wenn er merkt, daß weder Mama noch Tante heute Abend verfügbar sind. Jetzt bekommt er noch ein Fläschchen mit warmer Milch und dann geht’s ins Bett (für B., nicht für mich).
Nun ja – vielleicht überlege ich mir das mit den Kindern noch mal, meinen eigenen, meine ich.

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