Donnerstag, 19. März 2009
Schwarz-Weiß
Ich tue mich ein bißchen schwer mit diesem Thema, aber es gehört meiner Meinung nach angesprochen, also bitte. Hier in DC gibt es schwarze und weiße Menschen - und das macht immer noch einen Unterschied. Zumindest nehme ich das so wahr.
Schwarze Menschen sind Busfahrer, Sicherheitspersonal, Kassierer oder Reinigungskräfte. Andererseits war ich vor einigen Wochen bei einem Konzert im Kennedy Center, beim National Symphony Orchestra. Im Orchester: gar keine Schwarzen. Im Publikum: habe genau einen gesehen. Ich sehe auch viele Obdachlose beider Hautfarben - aber doch deutlich mehr schwarze.

Mich macht das traurig. Die Trennlinie entlang der sozialen Dimension, Geschichte und Hautfarbe empfinde ich als gleichermaßen ungerecht und hoffnungslos, weil entsetzlich schwer zu ändern und historisch wie emotional besonders aufgeladen.
Ich habe über meine Wahrnehmung vor zehn Jahren nachgedacht, als ich für längere Zeit in den Südstaaten war. Auch da gab es Unterschiede, beim Mittagessen in der Schule bildeten sich einer ganz besonderen Eigendynamik folgend immer klar getrennte Gruppen. Alle waren nett miteinander, Sportler waren gleichermaßen anerkannt, aber die Teilung vollzog sich ganz automatisch entlang der schwarz-weißen Linie. Bunte Dates wären fast undenkbar gewesen, ganz sicher mehr als aufsehenerregend. Das an sich hat mich seinerzeit hinreichend schockiert, auch wenn ich mich nicht an abfällige Bemerkungen, herablassendes Verhalten oder sonstigen Rassismus erinnern kann. Fast möchte ich sagen: es gab ebensoviel gesellschaftliche Trennung, aber die sozialen Unterschiede waren weniger himmelschreiend. Liegt das an meiner mit dem Alter sensibilisierten Wahrnehmung? Bilde ich mir das ein? Verklärte Vergangenheit? Ich glaube nicht. Aber die überkommenen Vorbehalte und kulturellen Unterschiede wurden (und werden?) im Süden weniger durch eine soziale, finanzielle und edukative Kluft zementiert. Das mag auch mit dem sozialen Milieu der ländlichen Gegend damals und der spezifischen Vergangenheit Washingtons als District of Columbia zusammenhängen. Die beiden Staaten Maryland und Viriginia, auf deren ursprünglichem Territorium DC liegt, waren typische Südstaaten und vertraten entsprechende Positionen in der Sklavenfrage, der Vorort Alexandria war lange ein Knotenpunkt des Sklavenhandels. Andererseits blickt DC auf eine lange Tradition schwarzer Einwohner zurück und die Sklaverei wurde hier früher als im Rest der (Süd)Staaten abgeschafft.
Anekdote am Rande: die Washington Redskins (Football Mannschaft) waren das letzte NFL Team, das erst unter großem Druck schwarze Spieler aufgenommen hat - weswegen Schwarze wiederum seit jeher große Fans der Dallas Cowboys sind, welche als erste schwarze Sportler zuließ.*
Zum Problem trägt wohl auch bei, daß Washington massiv durch die Politik und den daran hängenden Dienstleistungssektor geprägt ist, was das Jobangebot naturgemäß stark einschränkt. Man könnte vielleicht sagen: der Mittelbau für Berufstätige ist wenig ausgeprägt in dieser Stadt - zwischen den elitären Politikjobs und dem bescheidenen Dienstleistungssektor fürs alltägliche Leben gibt es nicht viel. Über Zusammenhänge kann ich aber auch nur mutmaßen.

Bleibt festzustellen: Rassismus im Sinne der Überzeugung, eine ganze Gruppe Menschen könne inhärent minderwertig sein, nehme ich nicht wahr. Aber die Kategorisierung von Personen nach sozialem Hintergrund, die wiederum mit der Hautfarbe zusammenfallen und kaum voneinander zu trennen sind, die gibt es. Und nicht nur in Amerika.

*Diese Infos von einem Freund, der sowohl auf schwarze als auch puerto-ricanische Vorfahren zurückblicken und als daher als berufene Quelle gelten kann.

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