Montag, 14. September 2009
Krisen, diverse
Im Moment bin ich vermutlich des Teufels dickster Haufen. Ich habe die Aufgaben aus meinem bisherigen Vertrag hier zu beenden, gleichzeitig erwartet mein neuer Vorgesetzter schon jetzt maximalen Einsatz – bei minimaler Koordinierung seinerseits – bezüglich der neuen Aufgaben ab Oktober. Ich schreibe bis spät nachts an Bewerbungen, in der Hoffnung, noch eine Ehrenrunde an der Universität drehen zu können und stecke außerdem bis zum Hals in einem administrativen Mehrfrontenkrieg. Mein Visum kann natürlich nicht hier verlängert werden, dafür reicht die Zeit nicht mehr. Wohlgemerkt: ich hatte rechtzeitig gefragt, aber bis mein Arbeitgeber sich bewegte, vergingen drei Tage und die fehlen jetzt. Ich brauche eine neue Versicherung, die keine Ausschlußklausel für vorhersehbare Kriegsereignisse enthält – jeder Mensch bei normalem Verstand würde wohl Länder die mit einer Reisewarnung des Auswärtigen Amtes bewehrt sind, als vorhersehbar unruhig einstufen. Da meine Eltern in den letzten Monaten umgezogen sind und mein Wohnsitz damit ebenfalls, habe ich unzählige Versicherungen, Banken und sonstige Organisationen, die mich meistens mit überflüssiger Werbung, gelegentlich jedoch mit wichtigen Informationen beglücken über die Änderung meiner Adresse zu informieren. Ich muß zum Zahnarzt, zum Friseur – der schöne Franzose, Sie wissen schon, ich will mithalten können, damit er im Oktober vielleicht doch mal mit mir ausgeht -, meine Schwester sehen, meine Eltern sehen, eine Einkaufsliste in Din A4 Größe abarbeiten – und das sind nur die unbedingt notwendigen Dinge.

Gerade jetzt ist unser Haus eine infrastrukturelle Krisenregion. Am Samstag war der Strom so ungleichmäßig, daß wir mit der Musik aus dem Restaurant unten und der flackernden Neonröhre auf unserer Terrasse eine Diskothek hätten eröffnen können. Nachdem mein Rechnerakku leer war, hatte es sich also digital ausgearbeitet und eine Stunde später in der Dämmerung dank Totalstromausfall war auch analog nichts mehr zu machen. Der schöne Franzose hat mich zum Abendessen versetzt, der Abend mit einigen anderen Kollegen trotzdem lustig. Leider so lustig, daß ich gestern morgen nach nur fünf Stunden Schlaf – ich kann es nicht ändern, aus mir unerfindlichen Gründen sitze ich seit der Ankunft in Afrika morgens um spätestens sieben hellwach im Bett – weder Frühstück noch Kaffee zur unmittelbaren Katerbekämpfung anrichten konnte. Der Kühlschrank: nicht mehr kühl. Der Herd: nicht heiß. Eine Stunde später gingen sogar die letzten Lampen aus und dann wurde auch das Wasser abgestellt. Außerdem mußte ich unbedingt ins Büro, um Internetzugang zu haben – hatte aber keinen Fahrer. Mein Taxifahrer macht Wochenende oder Kirche oder Ausflüge, die Kollegen hatten ihren Fahrern freigegeben, mein Mitbewohner war anderweitig verpflichtet. Mangels Alternativen habe ich eine Sicherungskopie aller wichtigen Dateien gemacht, nur wenig Bargeld in die Hosentasche gesteckt (und, ich gebe es zu, eine eiserne Reserve in die Strümpfe) und bin zu Fuß durch die fast menschenleeren Straßen zum Büro gelaufen. Das dauerte nur zwanzig Minuten, danach fühlte ich mich allerdings dank der Temperaturen, die zunehmend der Bezeichnung Tropen Rechnung tragen, völlig fertig. Nur um festzustellen, daß die lieben Kollegen gestern sämtliche Wasserspender geleert haben. Glück im Unglück, als ein Kollege im Obergeschoß eintraf und ich dort im Konferenzraum eine Flasche mopsen konnte. Ich fasse also zusammen: kein vernünftiges Frühstück – trotz Sonntag -, lauwarmer Kaffee (der Wasserkocher verweigerte jenseits der 50 Grad den Dienst), durstig und naßgeschwitzt im Büro und den ganzen Tag dort geblieben. Zu Hause wäre ja nach drei Stunden Arbeitsschluß wegen Rechnerbatterie gewesen, ich hatte also keine Wahl. Schon um 8h21 morgens rief mich der sonderbare Verehrer an, zuerst von seinem Handy, danach von seinem Bürotelefon. Was soll ich sagen, ich bin nicht drangegangen. Habe auch meinen Französischlehrer nur per SMS vertröstet. Und den Rest des Tages sämtliche Anrufe von unbekannter Nummer ignoriert. Leider war auch der Kollege dabei, der mir seinen Fahrer anbieten wollte. Dumm, aber auch. Hungrig um sechs nach Hause gekommen, im Geiste schon die Nudeln im Topf gekocht, die Zucchini angebraten und den Knoblauchduft in der Nase, stellte sich heraus, daß unser Herd immer noch nicht funktionierte. Im Supermarkt gegenüber ein Hühnchen mit Fritten geholt, leider war die Straße gerade stark befahren als ich sie überqueren wollte, so daß es am Ende kaltes Hühnchen und pappige Fritten wurden. Soviel dazu.

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