Chinatown - Cairo - German Deli
Am Donnerstag habe ich es tunlichst vermieden, ohne Jacke das Haus zu verlassen. Am Freitag Mittag hatte ich einen Termin im Gebäude gegenüber und auf dem Weg dorthin ohne Jacke gefröstelt. Der heutige Tag hingegen hätte beste Chancen, sich in Deutschland als ausgewachsener Sommertag zu qualifizieren. Ich habe gerade auf der Treppe vorm Haus gesessen, in T-Shirt und Rock. Die Primeln in den Beeten sehen traurig aus, die Bäume sind winterlich kahl, aber wenn man die Augen schließt, die Vögel krakeelen hört und einem die Sonne auf den Rücken scheint, könnte man meinen, es sei Juli. Die Washingtonienne von Welt paßt sich dem schnell an und holt die Sommerkleidchen und Flip-Flops raus – mir mangelt es da noch an Flexibilität (und ich besitze keine Flip-Flops). Da ich heute Abend zu einer Geburtstagparty eingeladen bin, habe ich mich gegen Mittag auf den Weg nach Downtown gemacht, wo man der Expat-Gerüchteküche zufolge im German Deli Mozartkugeln erwerben kann. Auf dem Weg dorthin laufe ich durch Chinatown, das sich im wesentlichen durch ein großes chinesisches Tor und etliche China-Restaurants auszeichnet. Typisch für Washington ist, daß sich das Umfeld innerhalb eines Straßenblocks radikal ändern kann. Und so wehte mir mitten in Chinatown sekundenlang der Dunst eines arabischen Souks um die Nase. Die Mischung aus sonnenwarmer Straße, von der sich durch einen Eimer Wasser all die Gerüche eines Viertels lösen, ein Hauch von Unrat, von einem Grillrestaurant nebenan eine Prise Holzkohlenrauch, dazu die Dünste aus Freßbuden und Take-Away Restaurants. Für einen Moment rechnete ich damit, um die nächste Ecke über einige einsame Ziegen zu stolpern, wie zuletzt in Kairo. Nur wenige Schritte die Straße hinunter begegnet einem dann eine Gruppe amerikanischer Touristen (mutmaßlich aus dem Mittleren Westen) und alle Zauber ist dahin.

Jedenfalls habe ich schließlich den deutschen Laden gefunden und nach einigem Überlegen eine bunte Mischung Mozartkugeln erstanden, beim indischen (!) Personal bezahlt, für mein Publikum noch dieses Foto aufgenommen und mich dann auf den Heimweg gemacht.

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