Auch habe ich...

... weder Gut noch Geld,
noch Ehr und Herrlichkeit der Welt.


Mit meiner etwas koketten Klage über mangelnde Bildung habe ich natürlich noch längst nicht alles zu dem Thema gesagt. Wäre ich heute noch einmal achtzehn, würde ich vermutlich dennoch weder Philosophie noch Musikwissenschaft studieren, sondern vielleicht Jura oder Volkswirtschaft. Ich habe durchaus auch schon vor zehn Jahren gewußt, daß mich fast jedes geisteswissenschaftliche Fach unendlich viel mehr interessieren würde, als Wirtschaft. Den lustgesteuerten Interessen steht bei mir allerdings ein überaus kopfgesteuertes Sicherheitsbedürfnis entgegen. Zweifelsohne bin ich in diesem Punkt durch familiäre Werte und die Biographie meines Vaters geprägt, der seine Erfahrungen im Spannungsfeld zwischen Sicherheit und Sinnstiftung an seine Töchter weitergegen hat. Schaue ich meine Schwestern an, bin ich zumindest in guter Gesellschaft.
Geradezu ironisch scheint mir, daß subjektiv in den letzten zwei Jahren immer wieder meine Auffassung gestärkt wurde, wie völlig überflüssig mein Studium inhaltlich war – ich andererseits aber objektiv darin bestätigt wurde, daß es zum Broterwerb überaus geeignet ist. Zeitweise habe ich meine Entscheidung tatsächlich bereut und in mädchenhafter Naivität geglaubt gehofft, wenn man ein Fach wie Politikwissenschaft oder Philosophie nur mit hinreichend Leidenschaft und Engagement studiere, müsse man auch damit immer ein vernünftiges Auskommen finden können. Eine ganze Reihe neuer Bekanntschaften, allesamt klug, engagiert, überhaupt bestens qualifiziert und dennoch hauptberuflich Teilzeit-Kellner und zunehmend verzweifelt auf Jobsuche, haben mich eines Besseren belehrt. Zumindest die deutsche Wirtschaft funktioniert nicht so. Vielleicht ist das ein selbsterhaltendes System:

Wir stellen nur Menschen ein, die BWL studiert haben, deshalb werden mehr Menschen zum Broterwerb solche Fächer studieren, die wir dann einstellen können, um zu bestätigen, daß man für solche Tätigkeiten ein BWL-Studium benötigt.

Dieser queren Logik zufolge werde ich auch in drei Jahren vermutlich mit meinem Schwachsinns-Studium in bestimmten Bereichen der Wirtschaft unterkommen können – ich kokettiere zwar gelegentlich mit der Unsicherheit gegen Ende des Jahres nach Ablauf meiner derzeitigen Beschäftigung, aber ich schlafe immer noch relativ ruhig, wohlwissend, daß die Chancen auf ein Zusammentreffen von H4 und meiner Wenigkeit deutlich geringer sind, als die vieler Freunde. Ich weiß, ich habe mit achtzehn Jahren eine wohlüberlegte und durchdachte (gemessen an meinem begrenzten Erfahrungshorizont) Entscheidung getroffen, die irgendwie zu mir paßt. Ich würde es vermutlich wieder tun.
Und trauere dennoch darum, soviel Wissen verpaßt zu haben, das ich gerne hätte. Und zwar für mich ganz allein – selbst ohne jegliche Gelegenheit, damit hausieren gehen zu können.

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jean stubenzweig, Donnerstag, 26. März 2009, 00:52
Das ist zwar nicht mein Revier, aber ich habe da eine Erinnerung: Etwa fünfzehn Jahre ist es her, als ein kaufmännischer Angestellter unseres Verlagshauses via zweitem Bildungsweg mühsam, neben seiner Halbtagstätigkeit bei uns, BWL studierte, da die Verlautbarung in etwa hieß: «Wir stellen nur Menschen ein, die BWL studiert haben ...» In Massen stürzten sie sich in dieses Studium. Als der dann gar nicht mehr so junge Mann das seine beendet hatte, wollte ihn keiner als BWLer. Also kehrte er wieder zurück in seine alte Tätigkeit, ganztägig, allerdings zu schlechteren Bedingungen als früher ...

damenwahl, Donnerstag, 26. März 2009, 02:10
Genau das meine ich.