Revanche
damenwahl | 15. April 09 | Topic 'Washington'
Mein gestriger Abend endete in Gesellschaft von vier Herren und blauem Licht auf der Strasse mit einem herzlichen “Have a good night, Ma’am”. Wie schon verschiedentlich erwähnt, residiert in meinem Hinterhaus eine Gospelkirche, die seit über einer Woche extensiv Ostern feiert, bevorzugt zwischen elf und ein Uhr nachts unter erheblicher Lärmentwicklung. Leider nicht mit besinnlichen Bach Kantaten, sondern mit hektischer Popmusik, lauten “Hallelujah” Sprechchören und elektronischem Verstärker. Nach über einer Woche abendlicher Beschallung war ich am Ostermontag reichlich zermürbt, vor Wut und Schlaflosigkeit den Tränen nah, und sah froh dem erwarteten Ende der Feierlichkeiten entgegen. Wurde aber gestern pünktlich um zehn eines Besseren belehrt. Nach einigen Diskussionen mit meiner Mitbewohnerin (die inzwischen mit dem Verein nicht einmal mehr spricht, nachdem weder freundliche Gespräche noch Einspruch bei offiziellen Stellen Abhilfe schaffen konnten) bin ich höchstselbst hinüber gegangen, um erstens die Querulanten zu besichtigen und zweitens in Erfahrung zu bringen, wann wieder der übliche Zeitplan von nur drei (!) abendlichen Gottesdiensten pro Woche greifen würde.
Dabei stellte sich heraus, dass diese besondere Gemeinde tatsächlich ein leuchtendes Vorbild der Ökumene ist, offenbar gleich mehrere Götter verehrt, und in diesem speziellen Fall neben dem christlichen Ostern auch das jüdische Passahfest zelebriert. Neben einem Kreuz vor der Tür hat die "Church of the Living God" auch Davidsterne und Mesusa am Türstock im Angebot. Kirchenvorsteher und -begründer ist “Bishop X.” Falls jemand weiss, wie das alles zusammengeht - ich bin immer dankbar, mich weiterbilden zu können. Nachdem ich das Exterieur einen Moment auf mich hatte wirken lassen, öffnete ich etwas zaghaft die zweiflügelige, leuchtendrote Tür und konnte gerade noch einen kurzen Blick auf schwarze Gläubige in langen weissen Schläppen erhaschen, bevor ich abgefangen und nach draussen geschoben wurde:
…[Austausch eröffnender Höflichkeiten]
"I was wondering whether you could please tell me how long your celebrations are going to last tonight and when they will be finished"
"Well, this is the way we celebrate our God [doch nur einen?] and this will go on for a couple of days"
"And when will you be finished tonight?"
"Ah, I really can't tell you, we don't know yet"
… [nicht mehr ganz so höfliche Verabschiedung]
Konkretere Antworten waren nicht zu bekommen, ich habe nochmals mein Missfallen ausgedrückt und dann aufgegeben, mit denen war deutlich nicht zu reden. In der Zwischenzeit hatte meine Mitbewohnerin die Polizei angerufen, und wenig später standen wir mit unserem Freund und Helfer auf der Strasse. Nun liess sich DC nicht lumpen, anfangs kamen zwei Wagen mit zwei Polizisten - ganz auf der Höhe der Zeit mit Netbook und Internetanschluss im Auto und allerlei anderen Spielereien und vielen Waffen. Officer X. sass im Wagen (und muss daher unbenamst bleiben, Namensschild war nicht erkennbar), Officer John S. hingegen leistete uns Damen auf der Strasse im Nieselregen Gesellschaft. Die Officers hörten sich die Klage an, es gab Diskussionen, ein Vorgesetzter wurde hinzugerufen. Mitbewohnerin B. wollte ihren kleinen Sohn nicht so lange allein im Haus lassen, dafür blieb ich allein mit den beiden Polizisten und ihren blauen Lichtern. Officer John S. fing an, sein Handy zu traktieren, die knarrenden Funkgeräte gewährten Einblick in die polizeiliche Gesamtkommunikation. Dann kam noch ein Polizeiwagen, und noch einer, die Versammlung auf der Strasse nahm langsam Partygrösse an. Während wir immer noch auf den Vorgesetzten warteten. Ich wiederholte für jeden Neuankömmling brav mein Sprüchlein (seit über einer Woche, jede Nacht, immer von zehn bis eins, Diskussionen vergebene Liebesmüh’), die Officers plauschten nett miteinander über das letzte Sportereignis, Officer X. - noch immer im Auto - surfte auf G**gle, und ich stand rum. Die Autos formten inzwischen eine veritable Strassensperre, die Kirchenheinis gingen unbeeindruckt ihrer wenig andächtigen Andacht nach und mir war kalt.
Es folgte: Auftritt Sergeant T. (Vorgesetzter) in tiefschwarzer Uniform - und exakt zeitgleich stoppte die Musik auf wundersame Weise. Das war schon ein sonderbarer Zufall. Nachdem ich erneut die Situation dargelegt hatte, setzte mir der ausserordentlich zuvorkommende Sergeant auseinander, wie schwierig das alles sei... er könne ja auch nichts tun... es müsse dafür doch Vorschriften geben [muss ich die kennen, oder er?]... ob wir denn nicht vernünftig mit der Kirche reden könnten? Der Officer hörte sich selbst ganz eindeutig lieber reden als andere - oder mich in diesem Fall -, allerdings gelang es mir zwischendurch ganz unabsichtlich diesen grandiosen Satz einzuschieben: “We certainly tried to reason with them but they just don’t give a damn”. *haha*
Aber, so Officer T., er könne ja noch mal mit den Kirchenoberen reden. Er begab sich zum Gespräch in die Kirche, ich zog mich auf seine Empfehlung hin um die Ecke zurück und beobachtete das Geschehen aus der Ferne. Nun gab es für ihn nicht wirklich viel zu tun, die Musik war ohnehin schon aus, aber kann ja nicht schaden. Anschliessend berichtete er, dies sei nach Auskunft der Kirche der letzte Abend [ach ja? das klang vorhin aber noch anders, als ich gefragt hatte] und er könne weiter nicht viel tun. Dennoch, for future reference, er sei Sergeant T. aus dem x. Bezirk, und ich möge mich vertrauensvoll weiter an die Polizei wenden, auch wenn sie nichts ausrichten könne in dieser Angelegenheit. Und dann kam dieses wunderbare "Have a good night, Ma’am" - sukzessiver Abgang der vier Polizeiwagen.
Immerhin hatte die geballte Anwesenheit des personifizierten staatlichen Gewaltmonopols die Querulanten in der Kirche hinreichend beeindruckt, dass auch nach Abrücken der Obrigkeit Ruhe herrschte. Ich muss ehrlich sagen: diese völlig skurrile Situation, mit vier Polizisten im Schein der rotierenden Blaulichter nächtens auf der Strasse zu stehen und den Lärm-Idioten wenigstens einmal so richtig einen reinzuwürgen war beinahe die Qualen der letzten Woche wert. Auch wenn ich gestern wieder erst nach Mitternacht im Bett war.
Dabei stellte sich heraus, dass diese besondere Gemeinde tatsächlich ein leuchtendes Vorbild der Ökumene ist, offenbar gleich mehrere Götter verehrt, und in diesem speziellen Fall neben dem christlichen Ostern auch das jüdische Passahfest zelebriert. Neben einem Kreuz vor der Tür hat die "Church of the Living God" auch Davidsterne und Mesusa am Türstock im Angebot. Kirchenvorsteher und -begründer ist “Bishop X.” Falls jemand weiss, wie das alles zusammengeht - ich bin immer dankbar, mich weiterbilden zu können. Nachdem ich das Exterieur einen Moment auf mich hatte wirken lassen, öffnete ich etwas zaghaft die zweiflügelige, leuchtendrote Tür und konnte gerade noch einen kurzen Blick auf schwarze Gläubige in langen weissen Schläppen erhaschen, bevor ich abgefangen und nach draussen geschoben wurde:
…[Austausch eröffnender Höflichkeiten]
"I was wondering whether you could please tell me how long your celebrations are going to last tonight and when they will be finished"
"Well, this is the way we celebrate our God [doch nur einen?] and this will go on for a couple of days"
"And when will you be finished tonight?"
"Ah, I really can't tell you, we don't know yet"
… [nicht mehr ganz so höfliche Verabschiedung]
Konkretere Antworten waren nicht zu bekommen, ich habe nochmals mein Missfallen ausgedrückt und dann aufgegeben, mit denen war deutlich nicht zu reden. In der Zwischenzeit hatte meine Mitbewohnerin die Polizei angerufen, und wenig später standen wir mit unserem Freund und Helfer auf der Strasse. Nun liess sich DC nicht lumpen, anfangs kamen zwei Wagen mit zwei Polizisten - ganz auf der Höhe der Zeit mit Netbook und Internetanschluss im Auto und allerlei anderen Spielereien und vielen Waffen. Officer X. sass im Wagen (und muss daher unbenamst bleiben, Namensschild war nicht erkennbar), Officer John S. hingegen leistete uns Damen auf der Strasse im Nieselregen Gesellschaft. Die Officers hörten sich die Klage an, es gab Diskussionen, ein Vorgesetzter wurde hinzugerufen. Mitbewohnerin B. wollte ihren kleinen Sohn nicht so lange allein im Haus lassen, dafür blieb ich allein mit den beiden Polizisten und ihren blauen Lichtern. Officer John S. fing an, sein Handy zu traktieren, die knarrenden Funkgeräte gewährten Einblick in die polizeiliche Gesamtkommunikation. Dann kam noch ein Polizeiwagen, und noch einer, die Versammlung auf der Strasse nahm langsam Partygrösse an. Während wir immer noch auf den Vorgesetzten warteten. Ich wiederholte für jeden Neuankömmling brav mein Sprüchlein (seit über einer Woche, jede Nacht, immer von zehn bis eins, Diskussionen vergebene Liebesmüh’), die Officers plauschten nett miteinander über das letzte Sportereignis, Officer X. - noch immer im Auto - surfte auf G**gle, und ich stand rum. Die Autos formten inzwischen eine veritable Strassensperre, die Kirchenheinis gingen unbeeindruckt ihrer wenig andächtigen Andacht nach und mir war kalt.
Es folgte: Auftritt Sergeant T. (Vorgesetzter) in tiefschwarzer Uniform - und exakt zeitgleich stoppte die Musik auf wundersame Weise. Das war schon ein sonderbarer Zufall. Nachdem ich erneut die Situation dargelegt hatte, setzte mir der ausserordentlich zuvorkommende Sergeant auseinander, wie schwierig das alles sei... er könne ja auch nichts tun... es müsse dafür doch Vorschriften geben [muss ich die kennen, oder er?]... ob wir denn nicht vernünftig mit der Kirche reden könnten? Der Officer hörte sich selbst ganz eindeutig lieber reden als andere - oder mich in diesem Fall -, allerdings gelang es mir zwischendurch ganz unabsichtlich diesen grandiosen Satz einzuschieben: “We certainly tried to reason with them but they just don’t give a damn”. *haha*
Aber, so Officer T., er könne ja noch mal mit den Kirchenoberen reden. Er begab sich zum Gespräch in die Kirche, ich zog mich auf seine Empfehlung hin um die Ecke zurück und beobachtete das Geschehen aus der Ferne. Nun gab es für ihn nicht wirklich viel zu tun, die Musik war ohnehin schon aus, aber kann ja nicht schaden. Anschliessend berichtete er, dies sei nach Auskunft der Kirche der letzte Abend [ach ja? das klang vorhin aber noch anders, als ich gefragt hatte] und er könne weiter nicht viel tun. Dennoch, for future reference, er sei Sergeant T. aus dem x. Bezirk, und ich möge mich vertrauensvoll weiter an die Polizei wenden, auch wenn sie nichts ausrichten könne in dieser Angelegenheit. Und dann kam dieses wunderbare "Have a good night, Ma’am" - sukzessiver Abgang der vier Polizeiwagen.
Immerhin hatte die geballte Anwesenheit des personifizierten staatlichen Gewaltmonopols die Querulanten in der Kirche hinreichend beeindruckt, dass auch nach Abrücken der Obrigkeit Ruhe herrschte. Ich muss ehrlich sagen: diese völlig skurrile Situation, mit vier Polizisten im Schein der rotierenden Blaulichter nächtens auf der Strasse zu stehen und den Lärm-Idioten wenigstens einmal so richtig einen reinzuwürgen war beinahe die Qualen der letzten Woche wert. Auch wenn ich gestern wieder erst nach Mitternacht im Bett war.
donalphons,
Sonntag, 19. April 2009, 02:21
Gratuliere! Da hast Du Dir ja lustige nachbarn rausgesucht. Das sind höchstwahrscheinlich evangelikale Christen aus der Ecke der Jews for Jesus oder ihrer Unterstützer:
http://en.wikipedia.org/wiki/Jews_for_Jesus
Pessach und die Übernahme jüdischer Riten haben in diesen Kreisen eine ziemlich ausgeprägte Tradition, einerseits, um sich in die Tradition der Juden direkt zu stellen, andererseits, um den Zugang für zu missionierende Juden so leicht wie möglich zu machen.
http://en.wikipedia.org/wiki/Jews_for_Jesus
Pessach und die Übernahme jüdischer Riten haben in diesen Kreisen eine ziemlich ausgeprägte Tradition, einerseits, um sich in die Tradition der Juden direkt zu stellen, andererseits, um den Zugang für zu missionierende Juden so leicht wie möglich zu machen.
damenwahl,
Sonntag, 19. April 2009, 04:07
Von Nachbarn aussuchen kann keine Rede sein, Heimsuchung wäre treffender. Vielen Dank für die Erläuterung - was es nicht alles gibt an religiöser Vielfalt. Missionarischer Eifer war mir schon immer in jeder Couleur unsympathisch, jetzt gleich noch mal mehr. Ich habe mich heute mit meiner Arbeit auf die Vordertreppe gesetzt und gleich den nächsten Sonnenbrand geholt,weil von zwei bis fünf Musik war und jetzt seit halb sieben wieder. Ich kann wirklich zwölf Stunden am Tag Musik hören, könnte in einer Kirche lernen und im Konzert Kreuzworträtsel lösen, aber dieses Hallelujah Gejaule mit Verstärker und viel Schlagzeug ist einfach unerträglich.