Pausenlektüre
Mit achtzehn hatte ich keine rechte Vorstellung davon, was ein Musikdramaturg eigentlich tut. Ich wußte wohl, daß Opernhäuser (wie auch Theater) meist einen Dramaturgen beschäftigen – das stand schließlich im Programmheft – aber die Abgrenzung zum Regisseur wäre mir schwergefallen. Daß diesem Mangel irgendwann abgeholfen wurde, verdanke ich meiner ehemals besten Freundin V., die inzwischen Dramaturgin an einem kleinen Opernhaus ist. Die Freundschaft gibt es nicht mehr, nach fünfzehn Jahren Zusammenhalt, über alle Stürme und Kämpfe hinweg, räumliche Distanz, diverse Beziehungen auf beiden Seiten und auseinanderdriftende Lebenswege fiel diese Zitadelle der Beständigkeit vor gut einem Jahr in sich zusammen wie eine Sandburg. Ganz ohne Kampf und letzte Zuckungen; trotzdem vergeht kein Tag, an dem sie mir nicht fehlt. Was bleibt sind viele wunderbare Erinnerungen und das Wissen, was ein Dramaturg eigentlich tut.

Je nach Größe des Opernhauses ist er Mädchen für alles und besonders für musikwissenschaftliche Belange bei der Unterstützung des unmöglichen Kunstwerks verantwortlich. Konzeption des Spielplans, Einrichtung von Werken, Programmhefte und sonstige Publikationen – in allem hat der Dramaturg seine Finger drin. V. an ihrem kleinen Provinztheater verbringt außerdem regelmäßig ihre Wochenenden morgens in der Oper, um gegebenenfalls Ersatz für kranke Sänger für abendliche Vorstellungen zu finden und übernimmt vereinzelt die Abendspielleitung. Ich stelle mir vor, daß das ein schöner Beruf ist – und jedenfalls geht V. darin auf. Leider in einem Maße, daß für überkommene Freundschaften in ihrem Leben kein Platz mehr war.

In Amerika scheint das Berufsbild jedoch ein anderes zu sein, denn ein Programmheft, das diesen Namen verdienen würde, gibt es hier nicht. In Deutschland finde ich neben einem Abriß der Handlung vielleicht Interviews mit dem Regisseur, Dirigenten oder Ensemblemitgliedern, Auszüge aus der literarischen Vorlage und erläuternde Texte von Wissenschaftlern. Hier nicht. Es gibt eine Besetzungsliste, eine Inhaltsangabe, in Konzerten noch die Vita der Künstler. Und dann: endlose Listen von Sponsoren. Sämtliche Beiräte, Aufsichtsräte, Vorstandsräte und Beratungsräte, Fördervereine, Einzelgeldgeber, Stiftungen werden aufgelistet. An der Met gibt es ein „Council for artistic excellence“, „Production Funders“, „125th Anniversary Fund“, „Golden Horseshoe Donors“, „Support the Broadcast Campaign“, sowie sieben (!) weitere (!) Arten von Sponsorengruppen. In vielen Kategorien werden die großzügigen Spender nach Spendenhöhe gestaffelt mit Namen genannt: “Mr. And Mrs. Butler J. Peterson Jr.“*. Wir reden hier natürlich nur über fünf- bis siebenstellige Beträge. Man möge mich nicht falsch verstehen: privates Engagement ist großartig, lobenswert und verdient öffentliche Anerkennung, meinethalben auch schwarz-weiß im Programmheft, damit es jeder mitbekommt. Aber müssen alle anderen möglichen Inhalte diesem Bildungsprotz-Theater zum Opfer fallen? Ich lese gerne über die Werksgeschichte und Interpretation in Texten, die ich selbst nicht gefunden hätte, lasse mir die Absichten und Einfälle von Regisseur, Bühnen- und Kostümbildner erklären (sofern es sich denn um Einfälle handelt) und bilde mich in der Pause weiter. Ganz besonders wenn ich alleine gehe, ist die Lektüre außerdem ein willkommener Pausenfüller. Immerhin: das amerikanische Werbe-Programmheftchen ist umsonst. Kein Inhalt kostet nichts.

*Der Name ist natürlich erfunden.

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mark793, Montag, 20. April 2009, 00:12
Die exzessive Würdigung der Sponsoren hat vermutlich damit zu tun, dass der Programmbetrieb (wie weite Teile der Kultur) in den USA meist viel mehr auf dieser Finanzierungssäule stehen als die einschlägigen Kultureinrichtungen in der alten Welt, die meist in höherem Maße von der öffentlichen Hand finanziert werden.

Vielleicht erklärt das auch, warum man sich hier den Luxus eines informativeren Programmheftes eher leisten kann.

damenwahl, Montag, 20. April 2009, 04:43
Natürlich ist die Finanzierungsstruktur hier der entscheidende Faktor. Eine der schönsten Seiten des deutschen Staates ist in meinen Augen das Engagement für die ganz besondere Kulturlandschaft und vor diesem Hintergrund bin ich gerne Steuerzahler. Trotzdem finde ich es bezeichnend, daß von den umkämpften deutschen Steuergeldern ein Dramaturgengehalt selbst an Provinzhäusern nicht zur Disposition gestellt wird, hier jedoch trotz der Unsummen, die Flaggschiffe wie die Met oder das Kennedy Center in DC zur Verfügung haben, daran gespart wird. Die Kultur des Privatengagements finde ich großartig und würde mir mehr davon für Deutschland wünschen, aber darunter leidet eben schnell der Anspruch. Die Definition, was Luxus sei, verschiebt sich schnell - für mich ist ein gutes Programmheft nämlich keiner, sondern vielmehr Aushängeschild und geradezu Notwendigkeit. Kultur soll bilden und dafür ist das Programmheft ein wichtiges Vehikel, das häufig den Schlüssel zu intelligenten Gedanken enthält - der Verzicht darauf wiederum raubt der Kunstform einen Teil ihres Gehalts.

jean stubenzweig, Montag, 20. April 2009, 08:53
Doch gerade in Deutschland wird seit vielen Jahren von vielen Politikern versucht, «endlich» US-amerikanische Verhältnisse einzuführen. Das habe ich bereits vor langer Zeit beklagt (und davor gewarnt): Die Kultur wird zusehends in private Hände gegeben, der Spender (Eigentum verpflichtet) soll's richten. Zu großen Teilen ist das umgesetzt worden.

Dadurch schwindet die Unabhängigkeit der Kultur zunehmend. Und zwischen Sponsoren- und Mäzenatentum wird schon lange nicht mehr unterschieden; die meisten kennen den Unterschied gar nicht (mehr). Wenn dem Sponsor – der nicht an Kultur, sondern lediglich am Werbe- und Steuersenkungseffekt interessiert ist – aber die Gewinne weggeplatzt sind?

Ich gehe demnächst mal näher ein auf dieses Thema, mit dem ich mich in den Anfangsachtzigern intensiv beschäftigt und es nie aus den Augen verloren habe.

mark793, Montag, 20. April 2009, 21:24
Selbst mir, der ich Feuilletons nur gelegentlich überblättere, blieb es nicht verborgen, dass das Thema hierzulande tatsächlich kräftig gepusht wurde in den letzten Jahren. Das war und ist, wenn man diesen Begriff denn verwenden will, nur eine weitere Facette der ganzen neoliberalen Agenda, die uns jahrzehntelang den Primat der Wirtschaft und die Heilkräfte des Marktes in allen Lebensbereichen verkündete.

Ich habe die Umsetzung der Deregulierungspolitik in den Medien-, Telekommunikations- und Energiemärkten zugegebenermaßen etwas genauer verfolgt als die entsprechenden Bestrebungen, die Kultur aus dem öffentlichen Sektor herauszuhebeln. Von daher sehe ich Ihren Ausführungen, Herr Stubenzweig, schon sehr gespannt entgegen.

jean stubenzweig, Montag, 20. April 2009, 22:18
Geben Sie mir bitte etwas Zeit. Ich bin zur Zeit andernorts recht beschäftigt und muß erstmal die alten Unterlagen ausgraben, um die damaligen Ergebnisse ins Vergleichslicht von heute rücken zu können.

Nebenbei: Gerade gestern kam mir einer bei dem seit seinen Hörfunkzeiten nichtssagenden Wolfgang Herles ins Blickfeld, den ich als jüngeren Mann über den «Kulturkreis BDI» kennenlernte. Zu Michael Hüthers Aufgaben dürfte es damals bereits gehört haben, den lange von der Dresdner Bank bzw. deren Stiftungen via Loeffelholz hochgehaltenen, weicheren Begriff Mäzenatentum in aggressivere Töne umzuformen. Herles stellte ihn als Wirtschaftswissenschaftler vor. Dabei ist er nichts als ein knallharter Lobbyist, der die Rhetorik sanfter Töne beherrscht: «Warum wir Ungleichheit aushalten müssen, wenn wir Freiheit wollen.»

damenwahl, Montag, 20. April 2009, 22:44
Mir kann niemand erzählen, dass privates Engagement den Staat ersetzen kann, einfach weil private Sponsoren fast immer eine eigene Agenda verfolgen. Ich bin zwar für jeden Cent dankbar, der der Kultur zugeführt wird, stehe aber der Einflussnahme der Sponsoren (und unbedingtes Mäzenatentum ist ja doch eher selten) skeptisch gegenüber. Wenn die alle nur noch Mozart und Bach finanzieren wollen, wer führt dann noch Zimmermann oder Berio auf? Und warum müssen die Wirtschaftsheinis in den Vergabeausschüssen für Stipendien sitzen? Nein, in solchen Fällen bin ich dankbar für einen Staat, der die Unabhängigkeit der Kultur bewahrt und Freiräume für Innovationen, Provokationen und Rebellen erhält.
Und auch ich bin gespannt auf Ihre ausführliche Meinung, Herr Stubenzweig!
Ad Hüther: Menschen, die sowohl Wirtschaft als auch etwas Vernünftiges studiert haben, sich aber im Laufe ihres Lebens scheinbar völlig zum Sklaven der Wirtschaft machen, sind mir ein Rätsel. Ich kann nachvollziehen, dass der moderne Wirtschaftsstudent einen eher begrenzten Wertehorizont hat, aber sowas? Mit denen würde ich gerne mal persönlich reden, um herauszufinden, wie die so geworden sind.

jean stubenzweig, Dienstag, 21. April 2009, 05:57
Hüther gehört zu denen, die die letzten Kämpfer für ein stillschweigendes Geldgeben ohne großes Werbegetöse gnadenlos abgelöst haben. Der oben erwähnte und von mir überaus geschätzte Bernhard Freiherr von Loeffelholz war so einer der letzten Generation. Er, der ausnahmeslos für die Kunst- und Kulturförderung abgestellt war, sagte mir bereits 1983, die Vorstände ließen es immer weniger zu, einfach nur zu geben – ohne die Firmennamen neureich auf den Programmheften präsentiert zu sehen; für Lieschen und Fritzchen Müller, die sich so höfisches Leben besser vorstellen konnten. Die dann erfolgende Umsetzung brachte manchen pfiffigen Bäckermeister dazu, in die Kunstförderung einzusteigen: billige Werbung auf «hohem» Niveau und zugleich Türöffner für Vernissagen. Loeffelholz, der diese großartige Kunstsammlung der Dresdner aufgebaut hatte und unter anderem über die Jürgen-Ponto-Stiftung künstlerische Talente (viel Musik!) förderte, war darüber mehr als betrübt. Er war von der Art, die Horaz (als Günstling) einst besungen hatte:

«Uralt edeln Geschlechts fürstlicher Sproß, Maecenas
Du mein Schutz und mein Hort, du o mein Schmuck, mein Stolz.
Vom werktätigen Tag bricht er sich Stunden ab.
Mich eint Epheu, der Schmuck kundiger Dichterstirn,
Mit den Himmlischen, mich sondert der kühle Hain,
Und mit Satyrn im Tanz schwebender Nymphenchor,
Ab vom Volke, wenn nur wieder der Flöte Klang,
Mir Euterpe versagt, noch Polyhymnia
Mir zu stimmen verschmäht lesbisches Saitenspiel:
Ja reihst du mich dem Kreis lyrischer Sänger ein,
O dann heb ich das Haupt hoch zu den Sternen auf!»


Ohne Ihre Kritikfähigkeit infrage stellen zu wollen, muß ich vermuten, ein Gespräch mit Hüther ginge zu dessen Vorteil aus. Er ist ein ungemein angenehmer Gesprächspartner, ruhig, zurückhaltend und eben durchaus gebildet. Und genau dem bin ich anfänglich auf den Leim gegangen. Aber ich war damals wohl auch ziemlich tief eingesunken in diesen geldigen Morast und deshalb anfälliger. Allerdings durfte ich so über die Jahre auch einige wirkliche Mäzene kennenlernen. Die gibt es nach wie vor, sind jedoch – naturgemäß – weniger bekannt.

damenwahl, Dienstag, 21. April 2009, 06:20
Ich glaube gerne, daß ich argumentativ den Kürzeren ziehen würde - mein Ziel wäre jedoch eher, die Beweggründe solcher Menschen zu verstehen. Wenn man doch alle Voraussetzungen hat, den Wert von Geschichte, Kultur, Literatur zu erkennen - wie kann man dann dem Geld Vorrang einräumen oder sich zum Erfüllungsgehilfen wirtschaftlicher Interessen zum Schaden der Kultur machen? Das verstehe ich nicht... aber da bin ich auch völlig naiv, das weiß ich wohl.

Herr von Loeffeholz hingegen wäre mir sicher sympathisch gewesen. Am Galileo Hochhaus der Dresdner in Frankfurt war außen immer ein Teil des geförderten Kulturprogramms veröffentlicht - nichts für intellektuelle Dünnbrettbohrer, war mein Eindruck. Und: sehr schönes Zitat! Ohne pathetisch klingen zu wollen: Sie veredeln mein Blog mit Ihren Beiträgen und Links, und das freut mich sehr!

jean stubenzweig, Dienstag, 21. April 2009, 09:44
«Zum Schaden der Kultur ...» – so läßt sich das sicher nicht sagen. Oberflächlich betrachtet jedenfalls. Ich weiß, ich weiß, Sie tun das nicht, Sie gucken in die Furchen und Rinnen der Zeitläufte. Aber um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen, sei vielleicht angefügt: Menschen wie er empfinden sich durchaus als Hüther und Bewahrer von Kunst und Kultur. Ich gehe auch davon aus, daß er hier und dort Mitglied ist und auch fördert, vermutlich sogar privat. Aber seine Perspektive dürfte eine andere sein, nämlich die der Burg und nicht des Grases, also durchaus die eines (zeitgenössisch-)fürstlichen Maecenas. Geld gibt's vermutlich (sic!) in dieser Konsequenz nicht für das, das ihm nicht behagt, und ohnehin nur dann, solange es der Status aushält. Und damit unterhölt er die Freiheit der Kunst. Wir müssen Ungleichheit eben aushalten.

Sie kennen diese feinen Unterschiede. Andere nicht. Die jubeln den Hüthers und wie sie alle heißen zu, wenn ein paar Brosamen abfallen; Hauptsache, der Rubel rollt. Die aus der öffentlichen Hand nicht mehr kommen können, weil die Inhalte des Steuersäckels entlehrt wurden zugunsten der Privatwirtschaft. Dann eben haben wir Zustände wie in den guten alten USA.

mark793, Dienstag, 21. April 2009, 14:29
@damenwahl: Sie schrieben:

Menschen, die sowohl Wirtschaft als auch etwas Vernünftiges studiert haben, sich aber im Laufe ihres Lebens scheinbar völlig zum Sklaven der Wirtschaft machen, sind mir ein Rätsel.

Ich habe zwar keine Wirtschaft studiert, aber in den 90er Jahren regelmäßig Beiträge in der Wirtschaftspresse ("Wirtschaftswoche" etc.) geschrieben. Wenn man sich in diesen Kreisen bewegt, ist es auf Dauer sehr schwer, die zugrundeliegenden Ideologeme ("Wettbewerb gut, Regulierung schlecht") noch als solche zu erkennen. Es hat ein paar Schlüsselerlebnisse gebraucht, um diese impliziten Konstrukte mal zu hinterfragen und das Ganze irgendwann als Teil einer neoliberalen Agenda sehen zu können.

Zu nennen wäre da das Gezeter um die MAI-Abkommen (und den Implikationen von GATT und WTO) auch auf die europäische Film- und Fernsehbranche, später der idiotische New-Economy-Hype. So betrachtet sehe ich heute mit Mitte Vierzig die Welt durch eine "linkere" Brille als mit Mitte 20 als Politikstudent. Wenn ich versuche, diese Thematik mit meinem jüngeren Bruder (Diplom-Volkswirt) zu erörtern, kommen wir irgendwann unweigerlich an einen toten Punkt, wo wir kurz davor sind, uns als "Träumer" (ich ihn) und als "Verschwörungstheoretiker" (er mich) zu beschimpfen. ;-)

damenwahl, Dienstag, 21. April 2009, 17:51
Lieber Herr Stubenzweig, natuerlich meine ich die lange Perspektive. Die Stiftungskultur in Deutschland zu foerdern (und nicht nur im Bereich des kulturellen Lebens) halte ich fuer sehr ehrenhaft und gut, weil es im besten Falle einhergeht mit mehr Verantwortung fuereinander und die Gesellschaft. Aber eben - da sind wir uns wohl einig - nicht im Austausch gegen staatliches Engagement, sondern zusaetzlich. Rueckzug des Staates wuerde langfristig zu einer Diktatur des Mehrheitsgeschmacks fuehren und die Vielfalt ginge verloren. Ich selbst ueberlege mir ja auch, welche Zwecke ich mit privaten Spenden foerdere, kann aber trotzdem ueber meinen eigenen Horizont und Geschmack hinaussehen und finde meine Steuergelder auch in Bereichen gut investiert, die mich persoenlich nicht interessieren. Das aber ist eine einzigartige Funktion, die nur der Staat erfuellen kann.

Lieber Herr Mark, ich muss gestehen: ich bin selbst Wirtschaftler und der festen Ueberzeugung, dass der Markt viele Bereiche besser regelt als Staat oder Einzelpersonen es je koennten - aber eben nicht alle! Die Volkswirtschaft bietet ja sogar die erklaerenden Modelle dafuer (oeffentliche Gueter, Spieltheorie) und Kultur gehoert fuer mich definitiv in den Bereich, wo der Staat die Defizite des Marktes kompensieren muss, denn sonst siehe oben: Diktatur des Mehrheitsgeschmacks. Ich kann aus langjaehriger Anschauung verstehen, warum der typische Wirtschaftsmensch kein Gefuehl fuer Kultur als erhaltenswertes Gut hat. Ich kann verstehen, wie typische Politikwissenschaftler den Markt scheuen wie der Teufel das Weihwasser - aber gerade von jemandem, der beides studiert hat, wuerde ich eine differenzierte Anschauung erwarten... und wundere mich, wenn jemand durch seine Ausbildung alle Voraussetzungen hat und trotzdem zum blinden Marktfanatiker wird. Wobei ich selbst ganz sicher auch gehoerig indoktriniert bin... es faellt mir in manchen Foren sehr schwer, der Debatte zu folgen, wenn saemtliche bekannten wirtschaftlichen Konzepte in Frage gestellt werden. Aber auch ich finde mich mit zunehmendem Alter immer weiter links in meinen Positionen.

mark793, Dienstag, 21. April 2009, 19:22
Wahrscheinlich liegen wir da gar nicht so weit auseinander. Ich bin auch weit davon entfernt, den Markt nur als lästiges Übel zu betrachten. Ich denke schon, dass es in vielen Bereichen keinen effizienteren Steuerungsmechanismus gibt als das Spiel von Angebot und Nachfrage.

Zum pseudoreligiösen Irrglauben wird das Ganze aber in meinen Augen spätestens dann, wenn behauptet wird, der Staat könne oder müsse sich ganz aus allen Bereichen der Daseinsvorsorge heraushalten. Dabei sehen wir ja gerade, dass kapitalmarktbasierte Renten überhaupt nicht sicherer sind. Und was den kulturellen Sektor angeht, sehe ich auch ganz stark die Tendenz, dass wenn private Sponsoren die Hauptlast schultern und die öffentliche Hand sich schließt, dass dann nur noch mehrheitsfähiger Kunstkommerz gefördert wird und sehr vieles auf der Strecke bleibt.

damenwahl, Dienstag, 21. April 2009, 20:34
Eben! Da sind wir doch wunderbar einer Meinung. Die Wirtschaft waere gerne eine Wissenschaft wie die Mathematik, ist aber keine - das darf man nicht vergessen und muss entsprechend existentielle Bereiche ausklammern - wie eben Kultur, Bildung, Umwelt, soziale Netze.

jean stubenzweig, Mittwoch, 22. April 2009, 07:49
Etwas lang ist er ja geworden, der Anfang, aber es mußte sein als Griff ins Archiv; eine bißchen Geschichte eben.