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Heimatgefühle
Ich habe darüber nachgedacht, was für mich Heimat ist. Meine Eltern sind seit meiner Geburt drei Mal umgezogen. An das erste Haus erinnere ich mich kaum. Das zweite war mein Zuhause. Beim nächsten Umzug war ich schon ausgezogen, ich habe nicht mitbekommen, wie im Vorfeld hunderte Gegenstände in die Müllkippe vor der Türe wanderten (so hat man mir erzählt), wie Koffer und Kisten gepackt wurden, wie starke Männer ein Möbelstück nach dem anderen aus der Tür trugen. In dem neuen Haus war für mich nicht einmal mehr ein Zimmer vorgesehen, nach einem Jahr wurde ausgebaut und aus meiner türlosen Kammer wurde das Ankleidezimmer meiner Eltern. Ich bezog das kleinste, dunkelste und unattraktivste der vier Schlafzimmer und teilte dieses mit dem Sideboard fürs gute Geschirr meiner Mama, Regalmetern von Ordnern meines Vaters und einem monströsen Schinken von Bild mit Rückepferden im Schnee – Erbstück meines Opas, das meine Mutter nicht aufgeben aber auch ebenso wenig an exponierter Stelle im Hause sehen wollte. Ich habe lange Zeit gebraucht, mich dort zu Hause zu fühlen und als es vor zwei Jahren endlich soweit war, begannen meine Eltern von erneutem Umzug zu sprechen.
Jetzt haben sie also den Blick über Felder und Wälder gegen den Blick über die Stadt getauscht, es gibt nur noch ein Kinderzimmer und eigentlich zu wenig Stauraum für die Hausstände zweier auslands- und abenteuerlustiger Töchter. Das eine verfügbare Kinderzimmer gibt einen spaßigen Einblick in die Soziologie meiner Familie: eigentlich ist es zuerst das Zimmer der jüngsten, noch studierenden E. Im Schrank hängen ihre Kleider, in den Regalen stehen ihre Bücher und im Bad nebenan ihre Zahnbürste. Damit aber wir zwei älteren uns nicht ausgeschlossen und unerwünscht fühlen, wurde innerfamiliär der Begriff „Kinderzimmer“ festgelegt – die einzige hingegen, die konsequent Kinderzimmer sagt ist E. selbst, für alle andere ist es E.s Zimmer.
Mal abgesehen vom nominellen Zuhause, das keines mehr ist, bin ich selbst leider auch kein großer Freund der Sesshaftigkeit. So schön mir die Vorstellung eines richtigen eigenen Zuhauses mit Einrichtung, Dekoration und Büchern scheint – ich kann mir nicht helfen: nach spätestens zwei Jahren werde ich ruhelos. Ich bin seit dem 16. Lebensjahr fünfzehn Mal umgezogen, wenn ich alle Aufenthalte länger als vier Wochen mit eigenem Schlafzimmer zähle – ich könnte die Zahl auch noch hochmanipulieren, wenn ich strenger rechnen würde. Und natürlich treiben die vier Umzüge des letzten Jahres die Zahl hoch. Ich bin im Moment ganz zufrieden, keinen Besitz bewahren zu müssen, meine Habseligkeiten sind vergleichsweise reduziert und lagern bei meinen Eltern im Keller – dafür schätze ich die Freiheit, jeden Tag umziehen zu können, wenn ich nur wollte. Nicht gebunden zu sein. Meine Eltern waren geradezu entsetzt, als sie Fotos von meinen Zimmern im vergangenen Jahr sahen, funktional eingerichtet, hässliche Bilder an der Wand (bestenfalls), kaum Dekoration, abgesehen von einer Handvoll Bücher im Regal (so ich denn eins hatte – ansonsten auf der Heizung oder dem Fensterbrett). Ich habe das anfangs auch so wahrgenommen, in Wien habe ich mir noch Mühe gemacht, Postkarten aufgestellt, und überlegt, ein Poster für die leere Wand überm Bett zu kaufen. In Tunis hingegen oder DC war ich soviel unterwegs und so eingenordet ins Wanderleben, daß ich derartige Bemühungen nicht einmal mehr in Erwägung gezogen habe. Ganz im Gegenteil finde ich mein Zimmer in Kinshasa geradezu gemütlich, während meine Eltern vor Entsetzen bleich wurden.
Von Wohnsitzen abgesehen ist Heimat für mich die Region, in der ich meine Jugend verbracht habe. Ich mag die Hügel und die kurvigen Landstrassen, Wälder und Hecken dazwischen, ganz besonders die Strecke zum Bahnhof über Land rührt mich jedes Mal – obwohl oder gerade weil sie eng verbunden ist mit Abreisen und Ankommen.
Wie wohl ich mich in meinen vielen Wohnungen und Zimmern auf Zeit gefühlt habe konnte ich immer an den blauen Flecken an meinem Körper zählen. Wenn ich nachts unbeschadet im dunkeln das Bad erreichen konnte, war ich angekommen. Mal dauerte das länger, mal ging es schnell. In Kinshasa ging es schnell und ich freue mich arg auf meine Wohnung, mein Zimmer, unserer Terrasse. Die Aussicht dort ist anders, aber nicht schlechter.
Jetzt haben sie also den Blick über Felder und Wälder gegen den Blick über die Stadt getauscht, es gibt nur noch ein Kinderzimmer und eigentlich zu wenig Stauraum für die Hausstände zweier auslands- und abenteuerlustiger Töchter. Das eine verfügbare Kinderzimmer gibt einen spaßigen Einblick in die Soziologie meiner Familie: eigentlich ist es zuerst das Zimmer der jüngsten, noch studierenden E. Im Schrank hängen ihre Kleider, in den Regalen stehen ihre Bücher und im Bad nebenan ihre Zahnbürste. Damit aber wir zwei älteren uns nicht ausgeschlossen und unerwünscht fühlen, wurde innerfamiliär der Begriff „Kinderzimmer“ festgelegt – die einzige hingegen, die konsequent Kinderzimmer sagt ist E. selbst, für alle andere ist es E.s Zimmer.
Mal abgesehen vom nominellen Zuhause, das keines mehr ist, bin ich selbst leider auch kein großer Freund der Sesshaftigkeit. So schön mir die Vorstellung eines richtigen eigenen Zuhauses mit Einrichtung, Dekoration und Büchern scheint – ich kann mir nicht helfen: nach spätestens zwei Jahren werde ich ruhelos. Ich bin seit dem 16. Lebensjahr fünfzehn Mal umgezogen, wenn ich alle Aufenthalte länger als vier Wochen mit eigenem Schlafzimmer zähle – ich könnte die Zahl auch noch hochmanipulieren, wenn ich strenger rechnen würde. Und natürlich treiben die vier Umzüge des letzten Jahres die Zahl hoch. Ich bin im Moment ganz zufrieden, keinen Besitz bewahren zu müssen, meine Habseligkeiten sind vergleichsweise reduziert und lagern bei meinen Eltern im Keller – dafür schätze ich die Freiheit, jeden Tag umziehen zu können, wenn ich nur wollte. Nicht gebunden zu sein. Meine Eltern waren geradezu entsetzt, als sie Fotos von meinen Zimmern im vergangenen Jahr sahen, funktional eingerichtet, hässliche Bilder an der Wand (bestenfalls), kaum Dekoration, abgesehen von einer Handvoll Bücher im Regal (so ich denn eins hatte – ansonsten auf der Heizung oder dem Fensterbrett). Ich habe das anfangs auch so wahrgenommen, in Wien habe ich mir noch Mühe gemacht, Postkarten aufgestellt, und überlegt, ein Poster für die leere Wand überm Bett zu kaufen. In Tunis hingegen oder DC war ich soviel unterwegs und so eingenordet ins Wanderleben, daß ich derartige Bemühungen nicht einmal mehr in Erwägung gezogen habe. Ganz im Gegenteil finde ich mein Zimmer in Kinshasa geradezu gemütlich, während meine Eltern vor Entsetzen bleich wurden.
Von Wohnsitzen abgesehen ist Heimat für mich die Region, in der ich meine Jugend verbracht habe. Ich mag die Hügel und die kurvigen Landstrassen, Wälder und Hecken dazwischen, ganz besonders die Strecke zum Bahnhof über Land rührt mich jedes Mal – obwohl oder gerade weil sie eng verbunden ist mit Abreisen und Ankommen.
Wie wohl ich mich in meinen vielen Wohnungen und Zimmern auf Zeit gefühlt habe konnte ich immer an den blauen Flecken an meinem Körper zählen. Wenn ich nachts unbeschadet im dunkeln das Bad erreichen konnte, war ich angekommen. Mal dauerte das länger, mal ging es schnell. In Kinshasa ging es schnell und ich freue mich arg auf meine Wohnung, mein Zimmer, unserer Terrasse. Die Aussicht dort ist anders, aber nicht schlechter.
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