Sonntag, 3. Oktober 2010
Tag 3 - Dein Lieblingsbuch
Bei Musik habe ich auf die Frage nach meinen Lieblingen eine eindeutige Antwort: immer das, was ich gerade höre. Bei Büchern gilt das nicht, es gibt sehr wohl Bücher, die ich gar nicht mochte und solche, die ich bis ans Ende meiner Tage immer wieder lesen werde.

Ich muß an dieser Stelle gestehen, daß ich ein Faible für Bücher mit Handlung und Spannungsbogen haben. Allzulange lebensphilosophische Betrachtungen langeweilen mich irgendwann, auch die schönste Sprache trägt mich nur bedingt durch etliche 100 Seiten und so halte ich mich zumeist an Bücher, die mehr erzählen als betrachten. Wenn ich bekenne, historische Romane zu mögen, disqualifiziere ich mich möglicherweise, aber genauso ist es. Allerdings nicht die Massenware, die sich heutzutage auf den Tischen in Bahnhofs-Buchläden stapelt, sowas lese ich selbst dann nicht, wenn es mir geschenkt wird. Ich möchte - trotz allem Unterhaltungswunsch - solide Hintergründe und eine Sprache, die mich bereichert und sich nicht in Alltagsfloskeln auf Gossenroman-Niveau verliert. Ich mag Feuchtwanger, ich mag Heinrich Manns Henri IV, ich mag die Buddenbrooks und liebe Tolstoi, aber alle diese Bücher kann ich abends zur Schlafenszeit gut aus der Hand legen ohne das Gefühl, etwas zu verpassen - sie warten ja auch am nächsten Abend wieder auf mich.

Bei Dorothy Dunnetts historischen Romanen geht das nicht, da will ich nur lesen, lesen, lesen. Den ersten Band der Niccolo-Reihe fischte ich irgendwann aus meines Vaters Regal und verstand bald, warum ihm das zu anstrengend war als Alltagslektüre: die Hälfte der Pläne und Gedankengänge der Protagonisten bleibt unausgesprochen, wird aber später so relevant, daß man dauernd mitdenken muß und ein gutes Gedächtnis für Details braucht. Irgendwann Jahre später entdeckte ich, daß es zwei Reihen zu je sechs und acht Bänden gibt, die zweite Hälfte allerdings nur auf Englisch und so verbrachte ich meine Weihnachtsferien statt mit Seminararbeiten mit dem Oxford Dictionary und den englischen Originalen auf meinem Sofa und versuchte, die komplizierte, farbige Sprache zu entwirren, versessen auch noch auf das letzte Detail, obwohl ich normalerweise einzelne unbekannte Wörter auf Englisch einfach übergehe. In den meisten zeitgenössischen englischen Büchern ergibt sich der Sinn so oder so irgendwann - aber nicht bei Dunnett. Ein Teil dieser Detailliebe ist in den deutschen Übersetzungen verloren gegangen, weshalb ich jetzt auf die nächsten sechs Bände auf Englisch spare, obwohl ich sie auf Deutsch schon habe. Vor kurzem hat Klett-Cotta die Neuauflage nach Nummer fünf von acht Bänden eingestellt, mangels Erfolg - angesichts des grassierenden Wahns bei historischen Romanen ist das schon fast ein Qualitätsausweis für die Bücher.

Ganz nebenbei habe ich das ein oder andere Detail über die historischen Gegebenheiten der jeweiligen Zeit (1400-1600) gelernt, über Handel in der Levante und politische Intrigen. Ich kann mir nur schwer vorstellen, wie Menschen so langfristig, manipulativ und durchdacht Pläne schmieden und handeln wie es Dunnetts Charaktere tun - aber die Faszination ist bis heute ungebrochen und ich weiß, daß ich diese Bücher bis zu den nächsten Semesterferien nicht anrühren darf - weil ich dem Sog der Lektüre ganz sicher nicht würde widerstehen können und alles andere über Wochen liegen ließe.



Dieser Test bei der FAZ ist ganz spaßig, der Algorithmus scheint mir allerdings eher wankelmütig zu sein. Im ersten Versuch bescheinigte er mir den Schreibstil von der Kürthy, was ich natürlich nicht stehen lassen konnte - im zweiten und dritten Anlauf dann wurde mir Ähnlichkeit zu Kafka und Biller unterstellt. Schon besser.
Wenn ich übrigens Seminararbeiten in die englische Version eingebe, höre ich mich an wie D.F. Wallace - das läßt hoffen für die Veröffentlichung meiner Dissertation (in einer fernen Zukunft) in Buchform. Haha.

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