Donnerstag, 14. Oktober 2010
Tag 14 – Ein Buch aus deiner Kindheit
Mein Vater hat immer viel gearbeitet, aber er hat sich jedes Jahr zu Weihnachten und Geburtstagen die Zeit genommen, Buchgeschenke für seine Kinder sorgfältig auszuwählen. Er las nicht nur die Buchempfehlungen seiner Wochenzeitung, er arbeitet sie geradezu durch, machte Notizen, riß die Koordinaten aus. Vor Weihnachten dann nahm er sich einen Samstag-Nachmittag Zeit, entließ meine Mutter in die Schuh- und Bekleidungsläden der nächstgrößeren Stadt und widmete sich dem Buchgiganten vor Ort.

Er legte seine Empfehlungen vor, diskutierte mit Buchhändlerinnen, las in Bücher rein und suchte mit viel Liebe und Aufwand Geschenke aus. Über die Jahre wurde er geradezu zum Fachmann für Kinder- und Jugendliteratur jeder Couleur. Astrid Lindgren, Rainer M. Schröder, Tolkien und Klaus Kordon, Gudrun Pausewang und Dagmar Chidolue - fast alles von Rang und Namen sammelte sich über die Jahre bei uns. In jenem Jahr, in dem mein Lesehunger am schlimmsten war, kauften meine Eltern einen kompletten Meter "Goldköpfchen" - ein Buch von 1930, aber erstens war es grandios, den riesigen Stapel hinterm Sofa zu finden und zweitens hat es mir trotzdem gefallen, auch wenn es etwas unmodern war. Sowas fiel mir kaum auf.

Die prägendste Autorin meiner Kindheit war jedoch Frances Hodgson Burnett, auf die ich immer noch große Stücke halte. Kein Jahr vergeht, in dem wir nicht alle "Der kleine Lord" im Fernsehen schauen - und doch ist es nie so schön wie jene Abende, an denen mein Vater uns jeden Abend ein Kapitel daraus vorlas, auf das man sich schon den ganzen Tag vorfreuen konnte.

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