Donnerstag, 7. Oktober 2010
Tag 8 – Ein Buch, das dich an einen Ort erinnert
Vor zwei Jahren verbrachte ich einen Sommer in Kairo. Obwohl ich reichlich Bücher eingepackt hatte und zwar von der Sorte, die man nicht an einem Abend durchliest, mußte ich zum Ende hin für ein paar Tage Strandurlaub in Dahab Nachschub besorgen und erhielt von bestens orientierten Freunden den Hinweis, die Buchhandlung Diwan auf Zamalek zu besuchen.

Ich war zum Abendessen mit einer Freundin in einem ägyptischen Restaurant um die Ecke verabredet (wir wollten endlich gefülltes Täubchen und den berühmten Milch-Nachtisch probieren), war etwas zu früh dran und nutzte die Zeit im Buchladen. Es gab neben Mengen arabischer Literatur nicht nur eine große Auswahl englischer und französischer Bücher, sondern sogar deutsche, und einige Minuten lang hielt ich den ersten Band von Nagib Machfus Kairo-Trilogie in den Händen, entschied dann aber, daß es unvernünftig sei, 25 Euro für ein Buch auszugeben, das ich zu Hause für die Hälfte würde kaufen können. Nach einigem suchen und ringen kaufte ich Al-Khamissis "Taxi", ein anrührendes, herzerwärmendes Buch, das vermutlich keiner meiner Leser kennen wird. Der Autor berichtet in 58 kurzen Geschichten von Erlebnissen im Kairos Taxis, von Taxifahrern und ihren Sorgen und Nöten, vom Alltag und vom Verkehrsinfarkt, vieles mit hohem Wiedererkennungswert für den Kairo-Besucher, aber so liebevoll und doch ernsthaft, wie ich es nie könnte.

Als ich gestern einige der Geschichten noch einmal durchblätterte, erinnerte ich mich an die schwarz-weißen Schrottkarren, oftmals Ladas aus den sozialistischen Bruderstaaten, an die Taxinummern in arabischen und arabischen Zahlen (den eigentlich arabischen Zahlen, nämlich), den oftmals katastrophalen Zustand, der das stete Risiko mit sich brachte, auf halber Strecke liegenzubleiben. Eine Geschichte berichtet von der Einführung schöner, neuer Taxiautos, gelb gestrichen, sehr offiziell aussehend und auch vom Scheitern der technischen Seite des Projekts: die Radiofrequenzen waren bereits anderweitig reserviert. Ich habe genau einmal, an meinem ersten Abend, in einem solchen Taxi gesessen und danach nie wieder. In den neuen Taxis waren die Taxameter zwar nicht nur Dekoration, aber die Preise insgesamt soviel höher, daß ich mir das nicht leisten wollte. Davon abgesehen verschwanden die paar tausend "international cabs" ohnehin im Meer der alten Taxis, die manchmal gefühlt ein Drittel des Straßenverkehrs bestritten. Ein weiteres Gerücht, das mir damals zu Ohren kam, besagte, daß in Bälde per staatlichem Dekret nur noch Autos nach Baujahr 1980 würden fahren dürfen - das sagt eigentlich alles. Und wäre dabei kein kleiner Anteil am Gesamtaufkommen gewesen.

Auf dem Klappentext dieses wunderbaren Buches steht, daß man nach der Lektüre voller Einsichten in die harten Lebensumstände dieser Gruppe nie wieder mit einem Taxifahrer den Preis verhandeln möchte - das war zwar auch mein erstes Gefühl, aber als der nächste Chauffeur meinte, der dummen Ausländerin den dreifachen Betrag abnehmen zu können, war es mit den guten Vorsätzen auch wieder vorbei. Vielleicht gilt das nur für ägyptischen Taxikunden.

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Tag 7 – Ein Buch, das dich an jemanden erinnert
Ich war Mitte Zwanzig und hatte auf einer Party einen jungen Mann kennengelernt, sympathisch, belesen, durchaus auch witzig. Nach einigen Startschwierigkeiten unterhielten wir uns bei irgendeiner Gelegenheit über gutes Essen und entdeckten die gemeinsame Leidenschaft für Grünkohl nach Mutterns Art (schmeckt nicht in Restaurants, muß man selber kochen), so daß ich mich zu einer Einladung zum Abendessen hinreissen ließ. Ich kochte, wir unterhielten uns, und das nächste Mal war er dann dran: Miesmuscheln, auch ein eher seltens Gericht auf dem studentischen Speiseplan. Er wohnte auf einem Verbindungshaus, für den guten Zweck (nämlich meine Bewirtung) suchte er Tage vorher ein Rezept aus dem Internet, stellte jüngere Mitglieder zum Gemüseschnippeln ab und entwendete der Haushälterin nicht nur feines Porzellan und graviertes Silberbesteck aus den Schränken, sondern auch sämtliche im Haus aufzutreibenden Kerzen.

Auch wenn der Topf für die gesamte Portion zu klein war, und wir jeweils zwei kleine Portionen nacheinander köcheln ließen, schmeckte es doch über Erwarten gut, vor allem aber war ich ernsthaft gerührt von den Mühen, die er auf sich genommen hatte. Letztendlich folgten den ersten schönen Abenden zwar noch weitere, aber mehr auch nicht, bei einer dieser Gelegenheiten jedoch brachte er mir - einfach so - Dahns "Ein Kampf um Rom mit", nachdem wir uns zuvor länger über Rom unterhalten hatten (keine Ahnung mehr, in welchem Zusammenhang). Das werde ich nie vergessen, auch wenn ich den jungen Mann längst aus den Augen verloren habe. Den Inhalt des Buches kann ich leider nicht mehr wiedergeben, das ist in den Tiefen meines Gedächtnis' verschütt gegangen. Man muß Prioritäten setzen.

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