Tag 7 – Ein Buch, das dich an jemanden erinnert
Ich war Mitte Zwanzig und hatte auf einer Party einen jungen Mann kennengelernt, sympathisch, belesen, durchaus auch witzig. Nach einigen Startschwierigkeiten unterhielten wir uns bei irgendeiner Gelegenheit über gutes Essen und entdeckten die gemeinsame Leidenschaft für Grünkohl nach Mutterns Art (schmeckt nicht in Restaurants, muß man selber kochen), so daß ich mich zu einer Einladung zum Abendessen hinreissen ließ. Ich kochte, wir unterhielten uns, und das nächste Mal war er dann dran: Miesmuscheln, auch ein eher seltens Gericht auf dem studentischen Speiseplan. Er wohnte auf einem Verbindungshaus, für den guten Zweck (nämlich meine Bewirtung) suchte er Tage vorher ein Rezept aus dem Internet, stellte jüngere Mitglieder zum Gemüseschnippeln ab und entwendete der Haushälterin nicht nur feines Porzellan und graviertes Silberbesteck aus den Schränken, sondern auch sämtliche im Haus aufzutreibenden Kerzen.

Auch wenn der Topf für die gesamte Portion zu klein war, und wir jeweils zwei kleine Portionen nacheinander köcheln ließen, schmeckte es doch über Erwarten gut, vor allem aber war ich ernsthaft gerührt von den Mühen, die er auf sich genommen hatte. Letztendlich folgten den ersten schönen Abenden zwar noch weitere, aber mehr auch nicht, bei einer dieser Gelegenheiten jedoch brachte er mir - einfach so - Dahns "Ein Kampf um Rom mit", nachdem wir uns zuvor länger über Rom unterhalten hatten (keine Ahnung mehr, in welchem Zusammenhang). Das werde ich nie vergessen, auch wenn ich den jungen Mann längst aus den Augen verloren habe. Den Inhalt des Buches kann ich leider nicht mehr wiedergeben, das ist in den Tiefen meines Gedächtnis' verschütt gegangen. Man muß Prioritäten setzen.

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energist, Montag, 11. Oktober 2010, 02:44
Die von Ihnen bemerkte Ähnlichkeit, geschätzte Frau Damenwahl, ist kein Zufall. Tatsächlich mußte ich beim Lesen Ihrer Geschichte den Mut des Suppenkochs derart bewundern (meiner Erfahrung nach verstehen Haushälterinnen auf Verbindungshäusern bei ihrem guten Geschirr gar keinen Spaß), daß ich mich an den auch nicht zu verachtenden Mut der K. erinnerte. Die Auswahl, welche Geschichte ich zu diesem Punkt schreibe, war damit natürlich auch getroffen.
Ich hoffe, Sie sehen mir nach, daß ich Sie abermals ganz ungefragt zu meiner Muse machte.

damenwahl, Montag, 11. Oktober 2010, 10:01
Muse ist wohl doch ein bißchen zuviel gesagt, aber ich behalte das Kompliment trotzdem, weil es mir so gefällt!
//*note to myself: muß Federboa kaufen und extravaganter werden

energist, Montag, 11. Oktober 2010, 15:44
Nein, ich finde garnicht, die Muse wäre übertrieben. Bezüglich der erwähnten Extravaganz muß ich jedoch leise und bedauernd anmerken, daß diese Stelle vorläufig noch undotiert ist.

damenwahl, Dienstag, 12. Oktober 2010, 00:29
Bei dem Wort Muse denke ich unwillkürlich an berühmte Künstler, Schriftsteller oder Musiker und deren Inspirationsdamen, vielleicht ein bißchen Halbwelt, auf jeden Fall divenhaft, grande dame, kapriziös. Daher meine Assoziation "extravagant" - und das Widerstreben, das mit meiner Wenigkeit zu assoziieren. "Stichwortgeber" wäre vielleicht sachlicher. Oder ich arbeite an meiner verschwurbelten Vorstellung von Musenhaftigkeit.