Dienstag, 6. Oktober 2009
Noch mehr Meetings
Heute habe ich einen Hafen besichtigt. Privat-Hafen. Am Fluß. Davor kamen allerdings drei endlose Stunden Meeting, in dessen Verlauf ich gelernt habe, daß es einfacher sein dürfte, eine Ladung Drogen ins Kanzleramt zu schmuggeln, als einen Sack Kakao aus diesem Land zu exportieren. Der Geschäftsführer und seine Assistenten waren für sich schon eine Attraktion. Anfangs war ich mir nicht einmal sicher, wer in jenem Laden die Hosen anhat. Wir wurden empfangen von einem Mann mit dem Aussehen von Jean Reno und der Stimme eines hysterischen Teenagers im Stimmbruch, in Jeans und Hemd, die feisten Handgelenke in etliche Armbänder gezwängt. Sah schmerzhaft aus. Optisch noch weniger seriös war der Geschäftsführer, der aussah wie ein Europäer mit zuviel Sonnenbankbesuchen, sich allerdings als halber Kongolese herausstellte. Unter dem offenen schwarzen Hemd mit silbernen Applikationen schlängelte sich eine fette Goldkette über die üppig behaarte Brust und seine beiden Söhne orientierten sich modisch ganz deutlich am Vater, hatten allerdings marginal weniger häßliche Hemden an. Während des Gesprächs mit einem der Jungs konnte ich kaum die Augen vom bis zum Bauchnabel offenen Hemdausschnitt lassen und wünschte, ich hätte annähernd ebenso viele Haare auf dem Kopf wie dieser junge Mann auf der Front. Der dritte im Bunde war ein leitender Mitarbeiter, der einzige Kongolese in unserer Runde, der überaus distinguiert und deutlich geschäftsführermäßiger gekleidet war als seine Vorgesetzten. In klassischem Hemd mit Doppelmanschette linste er professoral über seine auf der Nasenspitze balancierende Brille hinweg und überschüttete uns mit Wäschekörben von Unterlagen zu all unseren Fragen. Nett jedoch, waren sie alle. Sehr sogar!

In aller Ausführlichkeit lernten wir sämtliche Schritte des Exportgewerbes kennen. Die Plantagen sind 700 bis 1.000 km flußaufwärts gelegen, allein der Transport nach Kinshasa zur Abfertigung und Prüfung der Ware nimmt schon mindestens zehn Tage in Anspruch. Weiter östlich im Land sind nicht nur die Wege länger, sondern auch noch diverse Zölle der Provinzregierungen einzukalkulieren. Während die Fracht sich auf den Weg macht, muß eine Exportlizenz beantragt werden, in Kinshasa werden die Güter sortiert, verpackt und geprüft. Dafür sind je nach Produkt diverse Behörden verantwortlich, die zwar teilweise seit kurzem keine Behörden mehr sind, was sie aber nicht davon abhält, nach alter Sitte weiter behördliche Anordnungen auszustellen, sehr zum Leidwesen der kläglichen Überreste der Privatwirtschaft. Außerdem müssen der entsprechende Devisenverkehr bei der Zentralbank registriert und Frachtpapiere sowie diverse Zollunterlagen vorbereitet werden. In Kinshasa geht es flußabwärts nicht weiter (Wasserfälle und Stromschnellen), daher kommt alles auf die Schiene zum Hafen in Matadi, weitere vier Tage Transport für etwa dreihundert Kilometer. Während die Container auf ihre Verladung warten, gilt es, Unterlagen von vier Behörden einzusammeln, gegebenenfalls zuzüglich weiterer Qualitätskontrollen die vom importierenden Land oder Kunden gefordert werden. Insgesamt, ich habe es gerade noch mal nachgezählt, fünfzehn Arbeitsschritte, bis die Ladung das Land verläßt, ohne die parallelen Zahlungsvorgänge für die ganzen Formalitäten. Sollte ich jemals den Wunsch äußern, hier im Import-Export-Geschäft aktiv zu werden, halten Sie mich bitte davon ab, gerne auch mit Gewalt.

Zum Abschluß unseres Gesprächs durften wir den Hafen besichtigen, glücklich, wer es zumindest in Kinshasa vermeiden kann, die staatlichen Hafenanlagen zu nutzen, die notorisch unzuverlässig sind und außerdem weder Eile noch Effizienz kennen. Während der Chef sich gleich neben dem Rauchen-Verboten Schild unterhalb der Lagersilos eine Zigarette anzündete, erläuterte er deren Inhalte. Auf dem Gelände standen etliche Zwanzig-Fuß-Container und am Kai lagen mehrere flache Schrottkähne Frachter nebeneinander (also: Seite an Seite, man hätte von einem zum nächsten klettern können). Der äußerste sah sogar noch leidlich fahrtüchtig aus. Auf einem weniger vertrauenerweckenden Kahn saß eine afrikanische Großfamilie bei der Vorbereitung des Abendessens, direkt davor zwei flache einheimische Baumstamm-Boote mit Fischern, die gerade ihre Netze einholten – wenn so die lokale Fischerei aussieht, werde ich zukünftig keinen Fisch mehr im Restaurant essen. Auf dem Fluß trieben kleine Grasschollen, als hätte jemand einen halben Golfplatz auf Reisen geschickt, während ein Speedboat der Wasserpolizei vorbeischoß.

Der junge Mann mit dem beeindruckenden Brustfell erzählte, daß er nächste Woche mit seinem Vater zu den Plantagen reisen würden und oh!- wie gerne würde ich mitfahren. Ich möchte soviel sehen und für einen Moment habe ich mir vorgestellt, ich könnte den Dezember nutzen um etwas so völlig absurdes zu machen, wie zwei Wochen mit einem Kahn flußaufwärts das Land zu sehen. Mit solchen Hintergedanken habe ich mich bemüht, besonders aufmerksam dem jungen Mann zuzuhören und dabei treuherzig zu schauen, aber ich war wohl nicht genug und die verbleibenden fünf Minuten zu kurz für einen ernsthaften Flirt. Sehr schade, das, aber ich war ja in offizieller Mission dort und konnte mich ihm nicht einfach an den Hals werfen und solche kuriosen Ansinnen äußern.



Hafengelände, das ich bei anderer Gelegenheit fotografiert habe – der gestrige war wesentlich aufgeräumter, die Frachter jedoch in nur unwesentlich besserem Zustand.

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