Donnerstag, 8. Oktober 2009
Mademoiselle Damenwahl plant ihr Wochenende:
... und verbringt einen weiteren Samstag auf ihrer Terrasse, wo sie sich einen neuen Sonnenbrand holt und langweilige Dokumente liest.
... und begibt sich auf Erkundigungsfahrt ins Hinterland, wo sie ganz sicher Sternchenpunkte bei ihrem Arbeitgeber sammeln wird und vielleicht sogar Fotos machen kann.

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Created by damenwahl on 2009.10.08, 20:31.

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Eigenlob und ein Zug
Ich befürchte leider, daß meine Kollegen – alle doppelt so alt wie ich und semi-Rentner, die sich nach erfolgreicher Karriere noch ein bißchen die Zeit vertreiben – keine sehr hohe Meinung von mir haben. Da ich an meinem ersten Arbeitstag vor einer Woche völlig unvorbereitet war (ich hatte ja erst 12 Stunden vorher nach 12 Stunden Reise erfahren, daß mein Einsatz in endlosen Gesprächen gefordert sein würde) und ich außerdem bei hochspezialisierten Fachthemen gelegentlich mit dem Vokabular kämpfe (wußten Sie, daß Mercuriale eine staatlich gesetzte Preisgrenze ist? Nein? Tröstlich, ich nämlich auch nicht.), habe ich die ersten Tage vermutlich multi-inkompetent gewirkt. Ganz nebenbei betrete ich gerade inhaltliches Neuland, indem ich zum ersten Mal erlebe, wie sich die Themen meiner Diplomarbeit in der Praxis gestalten. Gestern jedoch konnte ich Boden gutmachen und da sei es mir gestattet, hier eine Runde anzugeben.
Erstens habe ich angeboten, einen Termin mit einer wichtigen Firma zu vereinbaren. Die lieben Kollegen beklagten nämlich, ihnen fehle die Zeit zum rumtelefonieren und der gewünschte Gesprächspartner gehe nie an sein Handy. Keine große Überraschung, die Nummer ist ja auch abgemeldet, aber mit etwas Internet-Recherche konnte ich die Firmenzentrale erreichen und dort nannte mir die Nummer des Geschäftsführers, der sich wiederum bereit erklärte, uns morgen früh um 7h30 (!) zu empfangen. In seinem Büro, etwas außerhalb der Stadt.
Zweitens konnte ich gestern Abend zu fortgeschrittener Stunde ein logistisches Problem grandios lösen. Einer unserer zwei Fahrer hat ein krankes Kind und daher gebeten, heute Vormittag später anfangen zu dürfen. Das wurde gerne bewilligt, allerdings stellte sich später heraus, daß wir morgens mit vier Personen drei unterschiedliche Termine wahrnehmen sollten und dafür nurmehr einen Fahrer haben würden. Meine vielfältigen Taxifahrer Erfahrungen machten sich jetzt nützlich, innerhalb von dreißig Minuten konnte ich mir einen anderen Fahrer organisieren und meinen den lieben Kollegen überlassen. Das hatte außerdem den Vorteil, daß ich nicht mit meinem eigenen Fahrer – seines Zeichens völlig orientierungslos in der Stadt – aufbrechen mußte, sondern jemanden an meiner Seite hatte, der sich gut auskennt.

Auf dem Weg kamen wir an jenen Quartiers populaires vorbei, die mich schon auf dem Weg zum Flughafen mit Entsetzen erfüllt haben. Kinder in Schuluniformen, ein Vater mit seinem kleinen Sohn an der Hand, Marktfrauen in klapprigen Holzbüdchen, und viel zu viele Kinder ohne Schuluniform. Auf dem Rückweg außerdem ein Zug. Die Gleise waren mir schon auf dem Hinweg aufgefallen, allerdings wäre ich nie darauf gekommen, daß die noch benutzt werden. Personenverkehr auf der Schiene gibt es im Kongo praktisch nicht, außer diesem einen Zug aus den 60er Jahren in Kinshasa, der den Flughafen mit der Innenstadt – genauer: dem Expat Viertel Gombe – verbindet. Ich mußte beim Anblick des Zuges an die alten Flugzeuge denken, die man gelegentlich als Denkmäler auf Flughäfen bewundern kann und bei denen man sich unwillkürlich wundert, wie Reisen wohl früher war und ob die Maschine noch funktionstauglich ist. Der Zug war so alt, daß vermutlich selbst der Schrottwert in Deutschland keine zweistellige Summe ergeben hätte, aber er fuhr. Und wie. Vollbeladen mit Menschen, sie hingen in Trauben aus den Fenstern, tanzten in Gruppen auf dem ersten und letzten Wagen und dazwischen spielten junge Männer fangen –auf dem Dach. Einer sprang auf und ab, über Minuten, und freute sich, daß er immer etwas weiter hinten landete, während der Zug unter ihm durchfuhr. Bis er ans Ende des Waggons kam. Der Zug hielt immer wieder an, fuhr ein Stück, hielt wieder an und braucht sicherlich zwei Stunden für die gesamte Strecke bei dem Tempo. Immerhin ist er umsonst, erklärte mein Fahrer, ein Service der Hafenbehörde – was immer die mit Schienen zu tun haben mag – für die Armen, um sie den Geschäftsmöglichkeiten der Innenstadt näherzubringen. Mein Fahrer hingegen: Alles Diebe! Schlecht für uns, die sollen lieber draußen bleiben!

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