Dienstag, 20. Oktober 2009
Urlaub und Arbeit
Eigentlich hatte ich mich darauf gefreut, dieses Wochenende wenigstens einen Tag überhaupt nicht zu arbeiten. Die Vorfreude war leider verfrüht. Für Sonntag hatten Kollegen vorgeschlagen, zum Mittagessen flußaufwärts aus der Stadt rauszufahren – ähnliche Strecke wie voriges Wochenende – und dort die wunderbare Aussicht auf den Fluß zu genießen. Dummes Schaf, das ich bin, fragt ich am Vorabend, ob man irgendwas mitbringen müsse – ich dachte an Handtücher, Badeanzüge – nein, nichts dergleichen, aber das Essen dauere oft lange und wo ich doch so bequem dem Supermarkt gegenüber wohne könne ich vielleicht... Konnte ich natürlich. Zwei Tüten Chips, eine Packung Madeleines und ein paar Weintrauben für zwanzig Dollar. Frohen Mutes sah ich der Autofahrt entgegen, fand mich allerdings ganz unerwartet in Gesellschaft meines Chefs und einer Kollegin auf Dienstreise wieder, die sich begeistert die ganze Zeit über die Arbeit unterhielten und immer wieder Fragen an mich hatten zu einem Thema, mit dem ich mich ausgewiesenermaßen am besten auskannte. Statt also aus dem Fenster zu schauen, Fotos zu machen und vor mich hinzuträumen fühlte ich mich verpflichtet, interessiert dem Gespräch auf der Rückbank zu folgen, zu Lasten meines Nackens. Voriges Wochenende hatte ich die Strecke in einer bescheidenen Limousine zurückgelegt, die bei starkem Lenkradeinschlag jämmerlich quietschte und knarrte – allerdings ohne Probleme. Dieses Mal hatten wir zwei dicke Geländewagen, aber nach wenigen Kilometern den ersten Platten. Zehn Minuten Pause am Straßenrand, während die Fahrer den Reifen wechselten, dann ging es weiter. Ich bemühte mich redlich, interessiert halb nach hinten gewandt zuzuhören und trotzdem noch aus dem Fenster zu schauen und sichtete unter anderem einen meterhoch beladenen Lastwagen, auf dessen Dach mehrere Ziegen standen, abfahrbereit. Außer mir niemandem aufgefallen. Auch die großartigen Aussichten auf den Fluß hätten meine beiden Mitfahrer ohne meine Aufmerksamkeit verpaßt, so vertieft waren sie in ihr Fachgespräch. Vor Ort die üblichen strohgedeckten Hütten, rasch wurde der Tisch für uns eingedeckt und wir richteten uns gemütlich ein. Ein paar Baumstammboote mit Fischern, ein Baumstammboot mit bunten Plastikstühlen für Ausflügler und ansonsten die Aussicht auf den anderen Kongo am gegenüberliegenden Flußufer. Daß es sich um ein Grenzgebiet handelt, konnte keinem der Gäste entgehen, denn noch vor den Kellnern und der Speisekarte wurde man von einem Mitarbeiter der Direction Générale de Migration abgefangen. Meine Kollegin – in flagranti mit der Kamera in der Hand – lernte, daß man hier im Grenzgebiet eigentlich keine Fotos machen dürfe, strategische Bedeutung! Schmuggler! Illegale Migranten!* Nun sehe er aber ein, setzte uns der Polizist in seiner schäbigen Uniform auseinander, daß wir zur Erholung hier seien und natürlich wolle man den geschätzten Gästen nicht das Ablichten der wunderbaren Landschaft verwehren, daher dürften wir ausnahmsweise doch Fotos machen. Allerdings würde er sich sehr freuen, wenn diese seine Großzügigkeit später angemessen honoriert würde. Wir haben gut gegessen, die Sonne genossen, einigen Badenden beim planschen zugeschaut – uns selbst zog es allerdings nicht ins reichlich brackige Wasser. Beinahe hätte es sich wie ein halber Tag Urlaub angefühlt, hätten die lieben Kollegen nicht so angeregt fast durchgängig über die Arbeit und die anstehenden Projekte diskutiert. Kaum waren wir um drei wieder aufgebrochen, ereilte uns das Schicksal erneut, ein zweiter Platten. Diesmal gab es keinen passenden Ersatzreifen mehr und so wartete die Hälfte der Gruppe neben dem Auto – der Chef mit meinem Schal auf der Glatze, gegen die brennende Sonne – während der eine Chauffeur den anderen Chauffeur im nächsten Dorf absetzte, auf daß er sich dort alleine den Heimtransport mitsamt kaputtem Auto organisiere. Die Rückfahrt zog sich in drangvoller Enge mit sechs Passagieren plus verbliebenem Chauffeur endlos hin, die Klimaanlage kämpfte gegen Überlastung, ich kämpfte gegen eingeschlafene Beine auf dem Mittelplatz der Rückbank und die Kollegen diskutierten mit ungebrochenem Elan die Feinheiten irgendwelcher Projekte. Urlaub ist nun wirklich anders.

* Wobei man sich fragen kann, wie groß die Motivation der Bürger eines reichen Ölstaates sein kann, freiwillig den bettelarmen Nachbarn zu besuchen.

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