Babylon
Ich liebe es, in Fremdsprachen zu arbeiten. Am letzten Samstag Abend war ich mit den – vorwiegend ältlichen – Kollegen Abendessen, ein Franzose, ein Belgier, ein Brite und ich und das gesamte Gespräch hindurch wechselten wir von Französisch zu Englisch und wieder zurück, manchmal mitten im Satz. Je pense que c’est vraiment utile de,... il faut considérer, … we should consider to see … . Non, c’est pas comme ca, I have to correct you there…. So ungefähr. Ich liebe es, mehrere Sprachen auf dem Flur zu hören, ich liebe es, mit den Kollegen Französisch oder Englisch zu sprechen, ich liebe die Eigenheiten jeder Sprache. Vor allem die blumigen französischen Floskeln sind mir ein steter Quell der Freude. Hätte ich nicht immer große Sorge um meine vielen Fehler, das Mails schreiben in Französisch wäre ein reiner Spaß.

Madame l’Administrateur Directeur Générale,
merci beaucoup pour prendre le temps de nous recevoir… . Je serais très reconnaissante si vous pouvez… . Je vous prie de.... .Veuillez agréer, Madame l’Administrateur Directeur Générale, mes sentiments le plus distinguées.


Sicherheitshalber bitte ich bei wichtigen Korrespondenten einen muttersprachlichen Kollegen um Korrektur, damit ich mich nicht allzu sehr blamiere. Auf Gespräche bereite ich mich sorgfältig vor, schreibe mir meine Fragen auf, suche Vokabeln vorher raus und notfalls muß ich Dinge eben zwei Mal sagen. Oder zwei mal fragen, bis ich’s verstanden habe. Kongolesen wachsen in der Regel mit einem oder mehreren der afrikanischen Dialekte auf (Amtssprachen im Kongo: Lingala und Kikongo in der Gegend um Kinshasa, Swahili im Osten und Tshiluba in der Mitte, bei irgendwas zwischen 200 und 300 weiteren Dialekten), während Französisch die erste Fremdsprache ist und in der Schule gelernt wird – wenn auch früher als wir mit Englisch anfangen. Während die Eliten meistens ein sehr gutes und eloquentes Französisch sprechen, habe ich mit Wächtern, Taxifahrern und Verkäufern manchmal zu kämpfen, vor allem der Aussprache wegen. Mit Belgiern komme ich gut zurecht, aber Franzosen sind mir ein ständiges Ärgernis. Mit dem schönen Franzosen habe ich es eine Weile versucht, mittlerweile sprechen wir allerdings meistens Englisch. Als ich ihn irgendwann bat, doch mehr Französisch mit mir zu reden erklärte, er müsse ja auf Französisch alles zwei Mal sagen, weil ich es nicht verstehe. Das war das.
Wirklich schlimm ist jedoch der französische Kollege in meinem Team. Er spricht unangenehm leise, so daß ich schon akustisch sehr die Ohren spitzen muß. Außerdem – typisch französisch – sehr schnell und zieht die Wörter ineinander, so daß ich sie nicht mehr unterscheiden kann. Und obendrein – auch typisch französisch – weigert er sich, Englisch zu sprechen. Ihm scheint reichlich egal zu sein, daß ich allenfalls die Hälfte verstehe, und vor einigen Tagen hat er bei mir endgültig alle Sympathien verspielt. Ich hatte im Gespräch eine Vokabel – Fachterminus! – nicht richtig verstanden und der ältliche Kollege Team-Chef korrigierte meine Aussprache. Und der fiese Franzose lachte. Nicht laut, für sich, aber sehr sichtbar.

Nun werde ich gerne korrigiert von Personen, die ich mag. Ich wünschte, der schöne Franzose oder der nette Belgier würden mich öfter berichtigen, das ist nur gut für mich. Ich kann damit leben, daß mich jemand korrigiert, der zwar einen schauderhaften Akzent hat, aber grundsätzlich sehr gut spricht. Aber ich habe innerlich getobt, als dieser Idiot, der kaum fünf Sätze auf Englisch von sich gegeben hat – vermutlich weil sein Englisch Lichtjahre von unserem entfernt ist, keine Ahnung ob er zufällig noch fließend Deutsch oder Chinesisch spricht um sich zu rehabilitieren –, über mich gelacht hat. Gar nicht nett. Ganz schlechte Kinderstube.

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schusch, Donnerstag, 15. Oktober 2009, 20:47
Okay, ein Idiot. Aber meistens kann man sich den geschäftlichen Umgang nicht aussuchen.

Ich würde bei ihm ausdauernd mit ausgesuchter Höflichkeit um Verständnis bitten, er möge das gesagte für Sie doch noch einmal wiederholen, langsam und deutlich, weil für Sie ist ja Französich ja die dritte oder vierte Fremdsprache (es spricht ja kaum einer auf der Welt Französisch, braucht man meistens auch nicht), aber Sie wollen es ja lernen, diese schöne Sprache usw. usf.

Solange bis er entnervt ist und sich angemessen verhält.

Freunde fürs Leben wird man dadurch nicht aber günstigenfalls findet man einen modus vivendi.

Frau Damenwahl, wie kann ich Sie denn kontaktieren?

damenwahl, Donnerstag, 15. Oktober 2009, 21:00
Das ist glaube ich schon typisch französisch: überall, wirklich überall auf der Welt freut man sich über Besucher, die sich in der Landessprache abmühen, ganz gleich wie bescheiden das Niveau. In Nordafrika gewinnt man schon mit drei Worten Arabisch Herzen, und auch die Kongolesen komplimentieren mich hier bis zum Umfallen. Aber Franzosen? Leben möglicherweise tatsächlich in dem Gefühl, Menschen ohne Französischkenntnisse seien durchweg Barbaren und des näheren Umgangs nicht würdig. Und bitte: fließend auf muttersprachlichem Niveau, darunter machen sie's nicht. So kommt es mir zumindest vor.

Im Impressum steht meine Mailadresse. Das hat bisher immer funktioniert.

mark793, Donnerstag, 15. Oktober 2009, 21:09
@Damenwahl: Da könnte was dran sein. Ich muss in diesem Zusammenhang an einen Artikel in "Lettre international" aus der Feder eines spanischen Kulturwissenschaftlers denken, der in Frankreich lebt. Der schrieb sinngemäß, der Subjonctif markiere die Grenzlinie. Solange man den mit all seinen Finessen als Fremdsprachler in Frankreich nicht beherrsche, werde man nicht für voll genommen in der Intelligentzija.

schusch, Donnerstag, 15. Oktober 2009, 22:09
Frau Damenwahl,

dann hoffe ich, dass es auch diesmal funktioniert hat.

Ich freue mich auf Ihre Antwort!

damenwahl, Freitag, 16. Oktober 2009, 11:48
Ja, Herr Mark, die Franzosen und ihre Leidenschaft für die eigene Sprache. Gestern war ich mit dem schönen Franzosen abendessen (zum vierten Mal! - völlig ereignislos) und habe ausnahmsweise mehr Französisch als Englisch gesprochen. Er entwickelte geradzu messianischen Ehrgeiz, mir neue Wörter beizubringen, und mich abzufragen, wenn ich irgendwas nicht wußte. Abzufragen! - in Oberlehrermanier. Gerne hätte ich ihm von Ihrem Rat mit dem Kopfkissen erzählt, Herr Stubenzweig, aber das wäre dann doch zu offensichtlich gewesen.
Natürlich gehen Engländer immer und überall davon aus, sie kämen mit ihrer Sprache schon zurecht - allerdings nehmen sie es nach meiner Erfahrung nicht übel, wenn es mal nicht klappt, sondern freuen sich vielmehr, daß selbst im hinterletzten deutschen Dorf irgendjemand Englisch spricht.

mark793, Freitag, 16. Oktober 2009, 12:00
Außerdem nehmens die Engländer einigermaßen sportlich,wenns jemand besser kann. Meine Cousine ist gelernte Übersetzerin und lebt seit Ewigkeiten in London, und egal in welchem Job, ob bei der Investmentbank oder in der Umschulung zur Heilpraktikerin: Wenn jemand im Großraumbüro oder im Schulungsraum nicht wusste, wie man immediately schreibt oder wann man die progressive form benutzt, war immer sie als Deutsche gefragt, weil man davon ausging, die quatscht nicht nur rum wie ihr der Schnabel gewachsen ist, sondern hat es ja _gelernt_.

jean stubenzweig, Freitag, 16. Oktober 2009, 05:33
«Der Marsch nach Kambodscha war ihre Idee gewesen, und nun waren es auf einmal die Amerikaner, die mit bewundernswerter Selbstverständlichkeit die Leitung übernommen hatten und darüber hinaus auch noch englisch sprachen, ohne daß es ihnen eingefallen wäre, daß Franzosen oder Dänen sie vielleicht nicht verstehen könnten. Die Dänen hatten allerdings schon lange vergessen, daß sie einmal eine Nation gewesen waren, und so konnten sich von allen Europäern nur die Franzosen zu einem Protest aufraffen. Da sie ihre Prinzipien hatten, weigerten sie sich, auf englisch zu protestieren und wandten sich in ihrer Muttersprache an die Amerikaner auf dem Podium. Die Amerikaner reagierten mit freundlichem und beipflichtendem Lächeln, weil sie kein Wort verstanden. Schließlich blieb den Franzosen nichts anderes übrig, als ihren Einwand auf englisch zu formulieren: ‹Warum wird auf dieser Versammlung englisch gesprochen, wenn auch Franzosen anwesend sind?›»

Milan Kundera: Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins (Nesnesitelná lehkost Bytí), aus dem Tschechischen übersetzt von Susanna Roth, München 1984, p 248

lingua franca

mark793, Freitag, 16. Oktober 2009, 13:58
Für eines muss man Hollywood mit seinen ewigen Nazi-Bösewichtern ja dankbar sein: Deutsch wird überall auf der Welt verstanden, wenn mans nur laut genug brüllt. ;-))

dergeschichtenerzaehler, Freitag, 16. Oktober 2009, 13:40
Ihre Leidenschaft für Sprachen kann ich gut verstehen. Sprache ist für mich ein Spielzeug und je besser man diese kann, umso mehr kann man damit rumalbern...Wobei, ich könnte höchstens auf Englisch ein paar Späßchen machen. Mein Schulfranzösisch reicht gerade mal um das Notwendigste zu verstehen, selber sprechen kann ich es fast gar nicht.

Wenn es um ihre Sprache geht, reagieren (männliche) Franzosen geradezu divenhaft, was teilweise lustig aber natürlich auch nervig sein kann. Dann kommt noch erschwerend hinzu, dass die Sprache nicht sehr einfach ist. In der Schule war es eine Quälerei...

Englisch ist da besser. Ich habe mich auf Reisen mit so vielen Menschen, aus so vielen unterschiedlichen Ländern unterhalten. Die Sprache baut Brücken zwischen den einzelnen Ländern, einfach weil sie es auf so einfache Weise möglich macht, miteinander zu kommunizieren. Und das wird in Zukunft immer wichtiger...

damenwahl, Freitag, 16. Oktober 2009, 14:26
Mein Französisch reicht leider weder zum flirten noch zum Späße machen - daran arbeite ich. Wenn ich das geschafft habe, möchte ich noch Arabisch besser können und Swahili lernen - wobei Swahili viele Lehnwörter aus dem Arabischen hat, so daß das nicht zu schwer werden sollte. Arabisch ist natürlich eine Herausforderung - ich dachte da an zwei Jahre im Sudan oder Syrien. Sollte mir das vor dem Renteneintrittsalter gelingen, wäre Russisch der nächste Posten auf meiner Wunschliste. Ich stelle immer wieder fest: je länger man vor Ort ist, dest besser geht es, auch und gerade mit Französisch. Ich bin leider wenig geschickt darin, Formlierungen aufzuschnappen, aber es wird langsam.

dergeschichtenerzaehler, Freitag, 16. Oktober 2009, 14:41
Arabisch ist natürlich schon deswegen schwer, weil es ja eine andere Schrift hat. Und dann haben die so eine komische Aussprache. Klingt so wie eine Hacke anstatt einer Zunge... Wenn man das nicht versteht klingt es sehr bedrohlich... besonders wenn die Leute einen direkt ansprechen und dann reden die ja auch immer so laut. :-)

In Damaskus kann man arabisch lernen und die Stadt ist auch "relativ" (den Umständen entsprechend) weltoffen. Mir hat es dort sehr gefallen...

damenwahl, Freitag, 16. Oktober 2009, 15:13
Lesen und schreiben ist Übungssache und halb so wild. Die Grammatik hingegen ist unglaublich schwer, weniger am Anfang (da kommt man schnell voran und kann sich rasch leidlich verständigen), als vielmehr in den Feinheiten. Dafür braucht es Jahre der Praxis, fürchte ich. Allein der Numerus: Singular, Dual und Plural. Für alles gibt es weiblich und männlich, und erst die Verbformen...
Und ja: hört sich scheußlich an, ganz besonders wenn sich ägyptische Busfahrer streiten. Ich habe jeden Moment darauf gewartet, daß die Messer aus der Tasche flogen oder zumindest die Fäuste, aber plötzlich lagen sie sich doch in den Armen.
Damaskus - ganz oben auf meiner Reiseliste.

dergeschichtenerzaehler, Samstag, 17. Oktober 2009, 17:54
Ich habe in Jordanien einen Polizisten mit unserem Busfahrer streiten hören. Da hat man auch geglaubt, dass die sich gleich abmurksen werden. Der Tatbestand war übrigens Überfüllung. Es war eine Person mehr im Bus, als es Sitzplätze gab. (Ich fragte mich in diesem Moment, wann das mal nicht der Fall war hehe)

Damaskus ist eine absolute Perle, aber wie man weiß ist die ganze Region da unten ein Pulverfass. Planbar ist da nix (also 2 Wochen Urlaub schon)...Das Land ist zurzeit genauso sicher wie Deutschland, aber das kann sich so schnell ändern... Leider!